Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Schmerzensgeld bei der Berechnung des Kindergeldanspruches eines volljährigen behinderten Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Da die Zahlung von Schmerzensgeld nicht der Unterhaltssicherung dient, ist es bei der Berechnung des Kindergeldanspruches eines volljährigen behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist das Kindergeld für V (geb.: 1960).
V ist der Sohn der Klägerin, der seit 01.12.2007 in einem eigenen Haushalt im Rehabilitationszentrum wohnt. Mit Schwerbehindertenausweis zuletzt vom 18.04.2013 wies das Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken, Versorgungsamt, für V einen Grad der Behinderung von 100 v.H. sowie die Merkzeichen "G", "B" und "H" zu. Der Bescheid ist unbefristet gültig.
Nach der Verdienstabrechnung erhielt V ab April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 € einen monatlichen Lohn i.H.v. 170,65 €. Weiter erhält er von der Bayerischen Versicherungskammer aufgrund eines Haftpflichtschadens vom 16.09.1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall i.H.v. 772,32 € und eine Schmerzensgeldrente i.H.v. 204,52 €.
Mit Bescheid vom 28.08.2013 hob die B. die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf.
Die Entscheidung wurde damit begründet, dass V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.
Den Einspruch gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Oktober 2013 wies die B. mit Einspruchsentscheidung vom 12.02.2014 als unbegründet zurück.
Mit der Klage begehrt die Klägerin sinngemäß unter Aufhebung des Aufhebungsbescheids vom 28.08.2013 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12.02.2014 die B. zu verpflichten, Kindergeld für V ab Oktober 2013 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:
Die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung eines volljährigen Kindes gemäß § 32 Abs. 4 EStG lägen in der Person des Kindes V vor. V sei außerstande sich selbst zu unterhalten. Die Schmerzensgeldrente der Bayerischen Versicherungskammer dürfe nicht bei den Einkünften angesetzt werden. Bei der Schmerzensgeldrente handele es sich um eine Zahlung der Versicherung des Unfallverursachers durch den V im Alter von 17 Jahren jäh aus dem Leben gerissen wurde. Seit dem Unfall vor über 25 Jahren lebe V in Behinderteneinrichtungen und sein Lebensradius sei hierauf beschränkt. Sein soziales Umfeld sowie Freunde- und Bekanntenkreis habe sich verändert. Es sei eine Entschädigung dafür, dass V bereits mit 17 Jahren Lebensqualität verlorenen habe, nicht aber eine Zahlung zur Deckung des Lebensunterhaltes. Durch das Schmerzensgeld sollen gerade immaterielle Schäden ausgeglichen werden.
Die B. beantragt Klageabweisung.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:
Die dem Kind zuzurechnenden Mittel würden ausreichen, um den Lebensbedarf zu decken. Der Grundbedarf betrage 8.130 € im Jahr 2013 und damit monatlich 677,50 € (§ 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG). Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasse alle mit einer Behinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen wirtschaftlichen Belastungen, etwa Aufwendungen für zusätzliche Wäsche, Unterstützungs- und Hilfeleistungen sowie typische Erschwernisaufwendungen. Da im Streitfall der behinderungsbedingte Mehrbedarf nicht im Einzelnen nachgewiesen wurde, sei zutreffend der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG angesetzt worden. Dieser belaufe sich bei behinderten Menschen, die hilflos sind, auf 3.700 € im Jahr bzw. 309 € im Monat.
Zur Deckung des Bedarfs, der sich aus dem Grundbedarf und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammensetze, seien alle dem Sohn der Klägerin zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel anzusetzen. Auf die Herkunft der Mittel - eigene Mittel oder Leistungen Dritter - komme es nicht an. Hierbei sei die Schmerzensgeldrente der Bayerischen Versicherungskammer zutreffend als Einkünfte von V berücksichtigt worden.
Der Gesamtbedarf von V setze sich im Streitfall monatlich wie folgt zusammen:
Bedarf |
Einkommen |
Grundbedarf |
677,50 € |
Verdienstausfall-Rente |
772,32 € |
Mehrbedarf |
309,00 € |
./. WK (102 € : 12) |
./. 8,50 € |
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Arbeits-Lohn |
170,65 € |
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./. WK (1.000 € : 12) |
./. 83,33 € |
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Schmerzensgeldrente |
204,52 |
Gesamtbedarf |
986,50 € |
Gesamteinkommen |
1.055,66 € |
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis dazu erklärt, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 90 Abs. 2 FGO).
Dem Gericht liegen 2 Bände von Ausdrucken aus der elektronischen Kindergeldakte mit der Nr. xxx vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
V ist außerstande sich selbst zu unterhalten; er ist daher bei der Klägerin als Kind zu berücksichtigen.
Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, ...