Entscheidungsstichwort (Thema)
Führt der erstmals gewählte Vorsteueraufteilungsmaßstab (Umsatzschlüssel) zu sachgerechten Ergebnissen, so ist sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt hieran gebunden. Dies gilt auch, wenn das Finanzamt nach einer Prüfung den Aufteilungsmaßstab geändert hat, die Steuerfestsetzung jedoch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung verbleibt
Leitsatz (amtlich)
Hat der Steuerpflichtige in einer Steueranmeldung einen im Sinne von § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG sachgerechten Maßstab für die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen für Herstellungskosten gewählt, ist dieser grundsätzlich für die nachfolgenden Besteuerungszeiträume bindend.
Hat das Finanzamt nach einer Prüfung den erstmals vom Steuerpflichtigen gewählten sachgerechten Aufteilungsmaßstab geändert, die Steuerfestsetzung jedoch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung belassen (§ 164 Abs. 1 AO), so kann der Steuerpflichtige darauf vertrauen, dass ihm das Änderungsrecht nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO weiter zusteht, solange der Vorbehalt wirksam bleibt, auch wenn er gegen den Änderungsbescheid keinen Einspruch eingelegt hat.
Normenkette
AO § 164; UStG 1999 § 15 Abs. 4; EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 2, 5, Art. 19 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der von der Klägerin erstmals gewählte Aufteilungsmaßstab für die abziehbaren Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze zu sachgerechten Ergebnissen führt oder, ob die Klägerin an den vom Finanzamt vorgegebenen Vorsteueraufteilungsmaßstab nach den umbauten Räumen gebunden ist.
Die Klägerin ist eine Personengesellschaft und betreibt die Errichtung, Erhaltung und Verwaltung von Immobilienbesitz (geschlossener Immobilienfond). Ihre Rechtsvorgängerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 09.10.1997 von der Stadt Z Grund und Boden und begann dort auf dem X Platz im Jahr 1998 mit der Errichtung eines Wohn- und Geschäftsgebäudes mit Tiefgaragen. Zur Finanzierung nahm sie u.a. ein Darlehen der A in Höhe von 1.660.000 DM auf, das in den Jahren 1998 und 1999 zur Auszahlung kam. Das Darlehen unterlag den Maßgaben der Wohnungsbauförderung und wurde unter der Bedingung, dass für eine Zeit von 15 Jahren die Klägerin günstige Wohnungsmieten anbieten werde, zins- und tilgungsfrei gestellt.
Das Gebäude wurde in vier Hausnummern aufgeteilt, von denen zwei Komplexe (Haus 1 und Haus 2) die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu vermieten beabsichtigte. Zwei weitere Komplexe (Haus 3 und Haus 4) sollten von einer Schwestergesellschaft vermietet werden. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte die Absicht, soweit möglich, die gewerblichen Flächen durch die Option gemäß § 9 UStG umsatzsteuerpflichtig zu nutzen. Auf der Grundlage zu erwartender monatlicher Sollmieten für die jeweiligen Gebäudeteile berechnete sie im Oktober 1998 die voraussichtlichen Mieteinnahmen. Dabei unterschied sie die Mietpreise für Wohnungen von den Mietpreisen für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen und von den Mietpreisen für vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen. Danach ergab sich für die Häuser 1 und 2 ein Verhältnis der zu erwartenden steuerpflichtigen Mietumsätze von 23.825,55 DM zu den Gesamtumsätzen mit 55.682,55 DM von aufgerundet 43%.
Im Jahre 1999 wurde der Gebäudekomplex fertig gestellt und mit der Vermietung begonnen. Die Umwandlung der Rechtsvorgängerin in die Klägerin erfolgte im Dezember 2000.
In der Umsatzsteuererklärung für 1998 vom 18.02.1999 gab die Klägerin an, dass noch keine Umsätze angefallen sind. Vorsteuerbeträge machte sie in Höhe von 471.139,13 DM geltend. Diese hatte sie bei Leistungsbezug im Verhältnis der beabsichtigten steuerpflichtigen zu den beabsichtigten steuerbefreiten Umsätzen zugeordnet.
Die Erklärung stand aufgrund der Zustimmung des Finanzamts vom 30.03.1999 einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 164, 168 Satz 2 AO). Sie wurde formell bestandskräftig (vgl. § 355 Abs. 1 Satz 2 AO).
Die Steuerfestsetzung wurde aufgrund der Prüfungsanordnung vom 21.04.1999 überprüft. Dabei vertrat der Umsatzsteuerprüfer die Auffassung, dass eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der Mietumsätze kein wirtschaftlich sachgerechter Aufteilungsmaßstab sei. Aufgrund seiner Prüfungen und der von der Klägerin mit Schreiben vom 08.09.1999 zur Verfügung gestellten Unterlagen und Berechnungen gewährte der Prüfer nur einen Vorsteuerabzug in Höhe von 283.124,58 DM, den er nach einem Aufteilungsmaßstab unter Berücksichtigung der umbauten Räume berechnete, wobei die Stellplätze in der Tiefgarage mit einbezogen wurden. Danach kam er zu einem Aufteilungsverhältnis von 26,42%.
Das Finanzamt folgte der Darstellung in dem Prüfungsbericht vom 27.09.1999 und setzte in dem Umsatzsteuerbescheid für 1998 vom 08.11.1999 einen Umsatzsteuererstattungsanspruch von 283.125 DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Gegen den Bescheid vom 08.11.1999 legte die Klägerin keinen Einspruch ein.
In der Umsatzsteuerjahreserklärung für 1999 vom 06.04.2001 gab die Klägerin steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 225.1...