Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Stimmt das Finanzamt zunächst einer Umsatzsteuerjahreserklärung zu, in der ein Umsatzschlüssel als Vorsteueraufteilungsmaßstab verwendet wurde, bleiben sowohl der Unternehmer als auch das Finanzamt daran gebunden.
Sachverhalt
Eine Personengesellschaft (geschlossener Immobilienfonds) machte im Rahmen ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung 1998 Vorsteuerbeträge aus der Errichtung eines größeren Gebäudekomplexes geltend, den sie nach Fertigstellung im Jahr 1999 vermietete. Weil die Gesellschaft sowohl umsatzsteuerfreie als auch umsatzsteuerpflichtige Vermietungsumsätze beabsichtigte, musste sie eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge vornehmen. Sie entschied sich auf Basis der zu erwartenden monatlichen Sollmieten für eine Aufteilung nach dem Verhältnis der beabsichtigten Umsätze. Das Finanzamt stimmte der Umsatzsteuerjahreserklärung 1998 zunächst zu und änderte später den Aufteilungsmaßstab dahingehend, dass es das Verhältnis der umbauten Räume berücksichtigte. Dagegen wurde Klage erhoben.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Sowohl das Unternehmen, als auch das Finanzamt sind an den ersten vom Unternehmer (in der Umsatzsteuererklärung) in zulässiger Weise gewählten Aufteilungsmaßstab gebunden. Auch eine unterlassene Anfechtung der geänderten Vorbehaltsfestsetzung des Finanzamts führt nicht etwa dazu, dass sich die Gesellschaft an den Aufteilungsmaßstab des Finanzamts bindet. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist als sachgerechte Schätzung i.S.d. § 15 Abs. 4 UStG auch eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze grundsätzlich anzuerkennen (vgl. u.a. BFH, Urteile v. 2.3.2006, V R 49/05 und vom 13.8.2008, XI R 53/07, m.w.N. der Rechtsprechung). Ebenso muss sich der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des BFH an dem erstmals gewählten sachgerechten Aufteilungsmaßstab festhalten lassen, wenn dieser zulässig ist. Das gebietet der Grundsatz der Sofortentscheidung über die Verwendung der bezogenen Leistungen. Dies gilt auch dann, wenn noch andere sachgerechte Ermittlungsmethoden in Betracht kommen, wie z.B. ein Flächenschlüssel oder die im Streitfall vom Finanzamt herangezogene Aufteilung nach dem umbauten Raum. Der zuerst gewählte sachgerechte Aufteilungsmaßstab bleibt selbst dann bindend, wenn die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.
Hinweis
Es ist bereits durch die Rechtsprechung geklärt, dass ein zunächst gewählter und zulässiger Aufteilungsmaßstab die "Parteien" bindet. Ebenso ist geklärt, dass bis zum 31.12.2003 der Umsatzschlüssel auch nach nationalem Recht ein zulässiger Vorsteueraufteilungsmaßstab ist, weil dies der BFH bereits mehrfach ausdrücklich entschieden hat. Entscheidend für die Ausübung der erstmaligen Wahl ist die Darstellung in dem formell bestandskräftigen Steuerbescheid für das Jahr des Leistungsbezuges. Der Aufteilungsschlüssel bleibt dann auch für die Folgezeit bindend, insbesondere für einen möglichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG.
Seit dem 1.1.2004 soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel allerdings nur noch dann in Betracht kommen, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist (vgl. § 15 Abs. 4 S. 3 UStG). Da insbesondere bei gemischt genutzten Gebäuden i.d.R. auch eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel in Betracht kommt, wäre die Anwendung des Umsatzschlüssels in diesen Fällen faktisch ausgeschlossen. Nach Ansicht des Niedersächsischen FG (Urteil v. 23.4.2009, 16 K 271/06) ist die ab 1.1.2004 geltende Regelung zur Vorsteueraufteilung europarechtswidrig. Auch der BFH hat zwischenzeitlich erhebliche Zweifel geäußert und die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (BFH, Beschluss v. 22.7.2010, V R 19/09).
Bei klassischen gemischtgenutzten Geschäftsgebäuden dürfte eine Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel i.d.R. vorteilhafter sein, weil die Gewerberaummieten die Wohnraummieten im Allgemeinen übersteigen. Bei der Wahl des Umsatzschlüssels ist jedoch zu bedenken, dass dieser in den Folgejahren fortlaufend Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG auslösen kann, sofern sich die Mieten entsprechend ändern.
Link zur Entscheidung
FG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2010, 2 K 748/2007