Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer-Berücksichtigung von Erschließungsbeiträgen als Nachlassverbindlichkeiten
Leitsatz (redaktionell)
Erbschaftsteuerlich zu berücksichtigende Nachlassverbindlichkeiten müssen zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein. Erblasserschulden sind auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre. Der Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tod des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), bereits eine rechtliche Verpflichtung bestanden haben muss.
Bei der Beitragspflicht für einen Erschließungsbeitrag handelt es sich um eine werdende und schwebende Rechtsbeziehung des Erblassers, die als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen ist.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 5
Tatbestand
Streitig ist, ob Zahlungsverpflichtungen aus der Abrechnung von Erschließungsbeiträgen für eine Lärmschutzeinrichtung als Verbindlichkeiten i.S.v. § 10 Abs. 5 ErbStG berücksichtigt werden können.
Die Klägerin ist testamentarische Alleinerbin der am 27.09.2012 verstorbenen D. Sie ist Tochter der Cousine der Erblasserin. Im Nachlass befanden sich u.a. das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück Straße1, A-Stadt, wobei eine Wohnung von der Erblasserin selbst genutzt, die andere vermietet worden war, und ein unbebautes Grundstück Straße, Fl.Nr. 2…/139 der Gemarkung A-Stadt.
Im Erbschaftsteuerbescheid vom 22.11.2013, in dem das Finanzamt weitgehend den Angaben der Klägerin folgte, wurde ein Wert des Erwerbs von 349.467 € und ein steuerpflichtiger Erwerb von 329.400 € angesetzt und die Erbschaftsteuer nach Steuerklasse III i.H.v. 98.820 € festgesetzt. Im Einspruchsverfahren brachte die Klägerin - soweit jetzt noch streitig - vor, sie sei im Rahmen der Erbschaft mit Zahlungsverpflichtungen aus Erschließungsbeiträgen für Lärmschutz belastet. Mit Bescheid vom 30.10.2013 der Stadt A-Stadt sei von ihr für das Grundstück Fl.Nr. 1… Gemarkung A-Stadt (gemeint Straße1) ein Erschließungsbeitrag i.H.v. 6.760,61 € erhoben worden. Das unbebaute Grundstück habe sie mit notariellem Kaufvertrag vom 10.07.2013 an die Ehegatten EG und FG verkauft. Im Vertrag sei unter äVII. Erschließungskosten 1. vereinbart worden, dass die für das Vertragsgrundstück etwa anfallenden Kosten und Lasten für die aktuell durchgeführte Lärmschutzmaßnahme (Lärmschutzwall) vom Veräußerer zu tragen seien; diese Kosten seien im Kaufpreis mitenthalten. Vorstehendes gelte unabhängig davon, wann und in welcher Höhe die Kosten anfallen/angefallen seien, bzw. wann die Inrechnungstellung erfolge. Mit Bescheid vom 30.10.2013 gegenüber EG sei von diesem ein Erschließungsbeitrag i.H.v. 5.856,02 € erhoben worden. Die Klägerin habe am 20.11.2013 diesen Betrag an die Stadt A-Stadt überwiesen.
Die Bescheide vom 30.10.2013 der Stadt A-Stadt führen in den Gründen aus: "Die Beitragspflicht ergibt sich aus Artikel5a KAG, § 134 Abs. 1, § 133 Abs. 1 und 2 BauGB. Sie ist mit der endgültigen Herstellung der für die Erschließung des Baugebietes Straße erforderlichen Lärmschutzeinrichtung am 19.08.2013 entstanden. (...)" Beitragspflichtig ist derjenige, der im Zeitpunkt der Bescheidbekanntgabe Eigentümer des Grundstücks ist. Mehrere Beitragspflichtige sind Gesamtschuldner (§ 134 Abs. 1 BauGB). Die Klägerin fügte ihrem Vorbringen einen Bericht "Schalltechnische Untersuchung zur Änderung des Bebauungsplans" "Straße" der Stadt A-Stadt des beratenden Ingenieurs H vom 05.10.2009 bei. Ferner legte sie die am 01.03.2010 vom Oberbürgermeister der Stadt A-Stadt unterschriebene Änderung des Bebauungsplans "Bebauungsplan Nr. 6….. "Strasse" Änderung Nr. 6….." Ä 3 "Nördliche und südliche Lärmschutzeinrichtung entlang der BAB Axx" Begründung gemäß § 9 Abs. 8 BauGB vor. Hierin heißt es unter 7.Auswirkungen: (...) Die Kosten für die Lärmschutzeinrichtung sind auf die davon begünstigten Bewohner des Baugebiets "Straße" umzulegen. Zur Festlegung des Umlegungsmaßstabs ist durch die Kämmerei eine Satzung zu erlassen, unter Heranziehung einer schalltechnischen Untersuchung, in der die durch die Lärmschutzeinrichtung Begünstigten ermittelt werden. Diese schalltechnische Untersuchung wird nach Fertigstellung der Lärmschutzeinrichtung erstellt. Sie trug dazu vor, die Lärmschutzeinrichtung sei bereits am 01.03.2010 beschlossen worden; das entsprechende Gutachten hierfür datiere vom 05.10.2009. Aufgrund des Bebauungsplans sei bekannt gewesen, dass kostenpflichtige Erschließungsbescheide durch die Stadt A-Stadt erstellt werden würden. Bereits zum Todeszeitpunkt der Erblasserin sei also mit einer entsprechenden Inanspruchnahme zu rechnen gewesen. Sie habe den Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht beeinflussen können. Objektiv sei es keine neu entstandene Schuld, sondern es sei erst nac...