Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Kindergeld für behindertes Kind
Leitsatz (redaktionell)
Kindergeld wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung ist nur dann zu bezahlen, wenn die Behinderung die alleinige Ursache für die Nichtmöglichkeit des Selbstunterhalts ist. Treten andere Ursachen hinzu, so ist Kindergeld nicht zu gewähren.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2, § 63 Abs. 1 S. 1 u. 2, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin für ihren Sohn A Kindergeld zusteht.
A (geb. am 13.12.1977) ist von Jugend an wegen einer Minderbegabung schwerbehindert. Nach dem Besuch einer Sonderschule für geistig Behinderte war er auf Grund einer berufsfördernden Bildungsmaßnahme im Arbeitstrainingsbereich in der Werkstatt für Behinderte in 1 bis September 1998 tätig. Anschließend arbeitete er einige Wochen bei einer Spedition in 3, wo er Lastkraftwagen belud. Von Juni 2000 bis August 2001 arbeitete er beim TSV 4 e.V. als geringfügig Beschäftigter, außerdem half er seiner Mutter in der Gaststätte „...“ als Bedienung.
Am 06.09.2001 wurde A vorläufig festgenommen und auf Grund eines Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts 1 nach § 126 a StPO im Bezirkskrankenhaus 2 untergebracht. Mit Urteil des Landsgerichts 1 vom 30.04.2004 (Az. ...) wurde er des Mordes für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 63 StGB wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. A verblieb in der forensischen Abteilung des Bezirkskrankenhauses 2.
Der Klägerin wurde bis September 1998 Kindergeld für A bezahlt, ab Oktober 1998 wurde die Festsetzung des Kindergeldes mit Bescheid vom 10.09.1998 aufgehoben, da A das 18. Lebensjahr vollendet und sich nicht mehr in Ausbildung befunden habe. Am 25.03.2004 ging bei der Bundesanstalt für Arbeit ein Antrag der Klägerin auf Kindergeld für A ein. Die Klägerin gab darin an, dass er in der Psychiatrie in 2 untergebracht sei und legte einen Schwerbehindertenausweis vom 07.09.2000 vor. Der Grad der Behinderung betrug danach 80 %, die Merkzeichen B und G waren eingetragen. Als Behinderung war festgestellt „Verhaltensstörung bei geistiger Retardierung nach Meningitis“.
Mit Bescheid vom 09.11.2004 setzte die Familienkasse für A auf Grund des Antrages vom 25.03.2004 Kindergeld von Januar 2000 bis September 2001 fest. Ab Oktober 2001 wurde kein Kindergeld mehr bezahlt, da der Lebensunterhalt des Kindes auf Grund der Unterbringung im Bezirkskrankenhaus auf andere Weise gesichert sei. Der Bescheid wurde nicht angefochten. Mit Schreiben vom 25.06.2005 (Eingang am 07.07.2005) führte die Klägerin aus, dass ihr Unterhalt auch dann zustehe, wenn ihr Sohn nicht im elterlichen Haushalt lebe. Sie bitte daher um rückwirkende (seit März 2004) und künftig fortlaufende Zahlung des monatlichen Kindergeldes.
Mit Bescheid vom 30.08.2005 lehnte die Familienkasse diesen Antrag auf Zahlung von Kindergeld für A ab März 2004 ab. Sie führte aus, dass der notwendige Lebensbedarf des Kindes auf Grund seiner derzeitigen Unterbringung gedeckt sei. Außerdem sei die Behinderung des Sohnes nicht ursächlich dafür, dass er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten könne. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2005, auf die im einzelnen verwiesen wird, ist ausgeführt, dass der Bedarf eines Häftlings von Staats wegen gedeckt sei. Für ergänzende Unterhaltsleistungen bestehe daher kein Grund.
Dagegen hat die Klägerin mit folgender Begründung Klage erhoben:
Ihr stehe das Kindergeld zu, da ihr geistig behindertes Kind nicht in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten und diese Behinderung schon vor dem 27. Lebensjahr eingetreten sei. A habe zwar nach Beendigung der Behindertenschule geringfügige Tätigkeiten ausgeübt, die jedoch nie zu einer wirtschaftlichen Selbständigkeit geführt hätten. Er beziehe monatlich nur etwa 70 € aus sogenanntem Paragraphengeld und aus eigener Arbeitsleistung im Bezirksklinikum 2. Ein behindertes Kind sei aber erst dann im Stande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfüge, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensbedarfs ausreiche. Dieser setzte sich aus einem Grundbedarf und einem individuell zu bestimmenden behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 15.10.1999 VI R 40/98, BStBl. II 2000, 75) seien bei der Ermittlung des Mehrbedarfs eines in einem Heim untergebrachten behinderten Kindes ergänzend persönliche Betreuungsleistungen der Eltern mit einzubeziehen. Die Unterbringung im Bezirkskrankenhaus führe nicht automatisch dazu, dass das Kind sich selbst unterhalten könne. Es bestünden keine Gründe, welche eine Differenzierung zwischen einer vollstationären Unterbringung und einer Unterbringung i.S.d. § 63 StGB rechtfertigen würden. Es seien deshalb die persönlichen Betreuungsleistungen der Klägerin und ihres Ehemannes zu berücksichtigen. Sie b...