Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Kirchensteuer als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Leitsatz (redaktionell)
Die Erstattung von Kirchensteuer ist, soweit sie im Jahr der Erstattung nicht mit Kirchensteuerzahlungen verrechnet werden kann, ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
§ 11 EStG steht einer Verrechnung von erstatteter und im Jahr der Erstattung nicht verrechenbarer Kirchensteuer mit der bisher im Jahr der Zahlung berücksichtigten Kirchensteuer nicht entgegen.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist die Änderung des Einkommensteuerbescheids 1998 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgrund in den Jahren 1999 und 2000 erstatteter Kirchensteuer.
Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit sowie zusammen mit der Ehefrau Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Mit Einkommensteuerbescheiden vom 11.07.2000, 23.10.2000, 08.04.2003, 20.06.2003 und 15.12.2003 setzte das Finanzamt anhand der im Jahr 2000 eingereichten Steuererklärung den Differenzbetrag von 8.088 DM zwischen gezahlter Kirchensteuer in Höhe von 14.485 DM und erstatteter Kirchensteuer in Höhe von 6.397 DM als Sonderausgabe an.
Mit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändertem Einkommensteuerbescheid vom 19.10.2004 verringerte das Finanzamt die als Sonderausgabe zu berücksichtigende Kirchensteuer um 7.852 DM auf 236 DM. In den Erläuterungen zum Bescheid war ausgeführt, dass die in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 übererstattete Kirchensteuer (1999: 585 DM; 2000: 7.267 DM) in den Veranlagungszeitraum 1998 zurückgetragen worden sei.
Der vom Kläger und dessen Ehefrau gegen die Anrechnung übererstatteter Kirchensteuer aus späteren Jahren erhobene Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 10.01.2007 zurückgewiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Einkommensteueränderungsbescheid vom 19.10.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 10.01.2007 ersatzlos aufzuheben.
Die als Sonderausgabe abzugsfähige Kirchensteuer sei mit 8.088 DM anzusetzen. Der Änderungsbescheid vom 19.10.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 10.01.2007 würden gegen das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG verstoßen. Auch nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG sei Sonderausgabe die gezahlte Kirchensteuer. Die Erstattung von Kirchensteuer in einem späteren Jahr erfülle nicht die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Es handle sich lediglich um einen tatsächlichen Geschehensablauf, nicht aber um ein Ereignis, das eine Sachverhaltsänderung, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung führt, bewirke. Für die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses komme ein tatsächlicher Geschehensablauf nicht in Betracht.
Zudem habe das Finanzamt mit dem Änderungsbescheid vom 19.10.2004 zuungunsten des Klägers eine rückwirkende Anwendung einer geänderten BFH-Rechtsprechung vorgenommen. Die Behörde habe im Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 28.05.2002 die Kirchensteuer mit 0 DM angesetzt und in den Erläuterungen ausgeführt, dass für den Sonderausgabenabzug die im Kalenderjahr gezahlte Kirchensteuer von 1.884 DM um die erstatteten 9.151 DM gekürzt worden sei. Der Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 28.05.2002 sei bestandskräftig und damit sei über die steuerliche Behandlung der übererstatteten Kirchensteuer für das Streitjahr 1998 abschließend entschieden. Ein Änderungsbescheid vom 19.10.2004 aufgrund der geänderten BFH-Rechtsprechung 2 Jahre später sei damit nicht mehr zulässig. Er habe im Vertrauen auf die Entscheidung im Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 28.05.2002 davon Abstand genommen, die gesamte Kirchensteuererstattung für 1998 im Jahr 2000 im Rahmen einer Berichtigung als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO für das Streitjahr anzusetzen.
Auch sei es willkürlich, wenn das Finanzamt einen Teil der Kirchensteuererstattung im Erstattungsjahr 2000, einen anderen Teil aber im Streitjahr von der gezahlten Kirchensteuer abziehe.
Das beklagte Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es sei höchstrichterlich entschieden, dass in den Fällen der Erstattung von Sonderausgaben § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO Anwendung finde. Aufwendungen könnten nur als Sonderausgaben berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige damit endgültig wirtschaftlich belastet sei.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis dazu erklärt, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung und der zum Berichterstatter bestellte Richter an Stelle des Senats entscheidet (§§ 90 Abs. 2, 79 a Abs. 3 und 4 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist ohne Erfolg.
Das beklagte Finanzamt hat den Einkommensteuerbescheid 1998 zu Recht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert. Die Erstattung von Kirchensteuer, soweit sie im Jahr der Erstattung nicht mit Kirchensteuerzahlungen verrechnet werden kann, ist ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 N...