Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Grundstück

 

Leitsatz (redaktionell)

Wirtschaftliches Eigentum an einem Grundstück kann bereits vor der vollständigen Zahlung des Grundstückskaufpreises gegeben sein. Dies ist der Fall, wenn der bürgerlich-rechtliche Eigentümer mit dem Kaufvertrag gegenüber dem bisherigen Mieter faktisch seinen Herausgabeanspruch aufgibt, weil er sich rechtlich zur Übereignung verpflichtet und er diese Verpflichtung durch Auflassung, Bewilligung der Umschreibung und Eintragung einer Auflassungsvormerkung bereits erfüllt, so daß der rechtliche Eigentumswechsel allein in der Hand des Käufers liegt.

 

Normenkette

AO § 39 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1; EStG § 10e Abs. 1, 4, § 34f Abs. 2, § 9 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.09.2001; Aktenzeichen X R 67/00)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger mit Abschluß des Kaufvertrags über ein von ihnen bereits als Mieter bewohntes Gebäude wirtschaftlicher Eigentümer wurden, so daß ihnen schon im Streitjahr die Eigentumsförderung nach §§ 10e, 34f EStG und Abschreibungsbeträge nach § 7 EStG zustanden.

Die Kläger, die beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielten, schlossen am 27. 12. 1993 einen notariellen Vertrag, mit dem sie das an sie vermietete Einfamilienhaus ... in ... kauften. Nach dem Kaufvertrag gehen Besitz, Nutzen und Lasten und die Gefahr einer vom Verkäufer nicht verschuldeten Verschlechterung des Vertragsobjekts, die Eigentümerhaftung und die Verkehrssicherungspflicht am Tag der vollständigen Kaufpreiszahlung auf den Käufer über. Mit dem Besitzübergang endet nach dem Vertrag das Mietverhältnis; die Miete ist dann zeitanteilig abzurechnen. Zum Kaufpreis enthält der Vertrag die Regelung, daß die Mitteilung der Fälligkeit vom Notar den Vertragspartnern zu übersenden ist, nachdem die Auflassungsvormerkung eingetragen ist.

Die notarielle Urkunde enthält die Auflassung sowie die Bewilligung und Beantragung einer Auflassungsvormerkung und die Anweisung an den Notar, die Urkunde dem Grundbuchamt zur Eigentumsumschreibung erst nach Nachweis der Zahlung des gesamten Kaufpreises vorzulegen. Der Verkäufer verpflichtete sich, bei der Bestellung von Grundpfandrechten mitzuwirken, die der Finanzierung des Kaufpreises dienten. Gezahlt wurde der Kaufpreis im Januar 1994, nachdem ein für die Finanzierung erforderlicher Darlehensvertrag am 22. 12. 1993 abgeschlossen worden war. Vom 1. bis 17. 1. 1994 zahlten die Kläger noch anteilig Miete.

Die Kläger machten in der Einkommensteuerveranlagung 1993 den Abzugsbetrag nach § 10e EStG in Höhe von zuletzt 15.000,-- DM geltend, die Steuerermäßigung für zwei Kinder nach § 34f Abs. 2 und 3 EStG sowie anteilige Abschreibung wegen der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers in Höhe von 1.064,-- DM.

Das Finanzamt lehnte die beantragten Abzüge und das Baukindergeld im Einkommensteuerbescheid ab.

Dagegen legten die Kläger erfolglos Einspruch ein.

In der Einspruchsentscheidung führte das Finanzamt aus, daß die Kläger, obwohl sie bereits Mieter des Objekts gewesen seien, erst mit der Kaufpreiszahlung das wirtschaftliche Eigentum erlangt hätten, weil erst zu diesem Zeitpunkt Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr auf sie übergegangen seien.

Mit der Klage haben die Kläger folgendes vortragen lassen:

Die Kläger seien bereits 1993 wirtschaftliche Eigentümer geworden, weil die wesentlichen Voraussetzungen für die regelmäßige Begründung von wirtschaftlichem Eigentum erfüllt gewesen seien. So seien sie bereits im Besitz der Sache gewesen, hätten die wesentlichen Nutzungen gezogen und auch die mit dem Objekt verbunden wesentlichen Lasten getragen, so daß lediglich die Gefahr des zufälligen Untergangs noch beim Veräußerer gelegen habe. Wegen der geringen Wahrscheinlichkeit des Untergangs sei das jedoch nicht entscheidungserheblich.

Darüber hinaus sei 1993 das wirtschaftliche Eigentum der Kläger auch deshalb zu bejahen, weil sie den Veräußerer für die gewöhnliche Dauer von der Einwirkung hätten ausschließen können. Aufgrund des ungekündigten Mietvertrags habe der Eigentümer keinen Herausgabeanspruch gehabt. Mit dem notariellen Vertrag sei eine Einwirkung des Veräußerers praktisch wirkungslos gewesen. Die tatsächliche Sachherrschaft sei also ab dem Zeitpunkt des notariellen Vertrages bei den Klägern gelegen. Einfluß auf den Eigentumsübergang hätten nur noch die Kläger durch Nichtzahlung des Kaufpreises ausüben können. Somit könne im Einklang mit dem Urteil des BFH vom 12. 9. 1991 Az.: III R 133/90, BStBl II 1992, 182 wirtschaftliches Eigentum angenommen werden, ohne daß dessen regelmäßige Voraussetzungen in vollem Umfang gegeben sein müßten. Also könne bereits vor dem Übergang von Nutzen und Lasten sowie der Gefahr die Zurechnung zum wirtschaftlichen Eigentümer möglich sein, wenn der wirtschaftliche Eigentümer - wie hier - wie ein Eigentümer über das Wirtschaftsgut verfügen könne.

Ein weiterer Grund für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums der Kläger bereits im Streitjahr sei darin zu sehen, daß di...

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