Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfte aus Kapitalvermögen - Schneeballsystem

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage, ob und in welchem Umfang im Rahmen eines Schneeballsystems Zinseinnahmen zu versteuern sind.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7

 

Tatbestand

Streitig sind Einnahmen aus Kapitalvermögen.

Der unverheiratete Kläger unterhielt in den Streitjahren einen Gewerbebetrieb, der die Vermietung von Kraftwagen (Europcar) zum Gegenstand hatte. Daneben übte er einen Kurierdienst aus.

Außerdem hatte er in den Streitjahren - wie auch schon in den Vorjahren - in erheblichem Umfang Gelder zur Kapitalanlage an den ihm persönlich langjährig bekannten B (Handelsname: D - nachfolgend B) hingegeben. Die von B bescheinigten Kapitalerträge offenbarte er dem Finanzamt in seinen Steuererklärungen nicht.

B hatte dem Kläger vorgegeben, dessen Kapital u.a. in Anlage- / Sparverträgen anzulegen:

Mit den als "Anlagevertrag / Sparvertrag" bezeichneten Geldanlagen beauftragte der Kläger den B dahin gehend, einen bestimmten Geldbetrag für einen festgelegten Zeitraum zu einem vereinbarten Zinssatz anzulegen. Oftmals wurde der Geldbetrag zzgl. der errechneten Zinsen bei Endfälligkeit erneut in dieser Anlageform angelegt. Angaben über den Einbehalt und die Abführung eines Steuerabzugsbetrags (Abgeltungssteuer) machte B bezüglich dieser Anlageform nicht.

Tatsächlich handelte es sich bei dem Geschäftsmodell des B um ein sog. "Schneeballsystem". B investierte die von ihm dokumentierten Geldanlagen nicht, sondern verwendete die u.a. vom Kläger entgegengenommenen Gelder zur Finanzierung seines gehobenen Lebensstandards oder aber für Auszahlungen an Anleger, wenn diese ihre Gelder zurückforderten.

Nachdem die Steuerfahndung bei B Unterlagen beschlagnahmt hatte, durchsuchte sie am 05.06.2013 auch die vom Kläger regelmäßig genutzten Räumlichkeiten.

Unmittelbar nachdem der Kläger von den Durchsuchungsmaßnahmen der Steuerfahndung Kenntnis erlangt hatte, suchte er sein Bankschließfach bei der Bank 1 auf und entnahm daraus u.a. Unterlagen, die seine Geldanlagen betrafen, die er bei B getätigt hatte. Da er versuchte, den Beamten der Steuerfahndungsstelle den Zugriff auf diese Unterlagen zu verwehren, wurde er wegen Verdunkelungsgefahr vorläufig festgenommen. Schließlich gab er die betreffenden Unterlagen heraus und erklärte sein Verhalten mit aufkommender Panik. Er gab an, Ermittlungen in einem anderen Zusammenhang befürchtet zu haben.

So konnten im Rahmen der Fahndungsmaßnahmen auch umfangreiche Unterlagen zu den vom Kläger bei B getätigten Geldanlagen sichergestellt werden. Aus diesen ergab sich u.a., dass B im Jahr 2007 einen Betrag in Höhe von 83.000 € und im Jahr 2008 einen Betrag in Höhe von 119.442 € auf das Privatkonto des Klägers überwiesen hatte.

Im Zeitpunkt der Aufdeckung des Schneeballsystems des B im Juni 2013 wurde bei B erhebliches Vermögen sichergestellt, woraus die Steuerfahndung den Schluss zog, dass er noch weitere Auszahlungsverlangen der Anleger hätte bedienen können.

Bei den Vernehmungen im Juni 2013 hatte der Kläger eingeräumt, dass er von dem Festgeld bei B gewusst habe und ihm auch bekannt gewesen sei, dass die Laufzeit dieser Anlagen ein halbes Jahr gewesen sei. Zum Ende der Laufzeit sei er von B angerufen worden, wobei der Kläger die Laufzeit immer verlängert habe. Seit ca. Mitte 2007 seien die Anlagen im stillen Einverständnis verlängert worden.

Für die Streitjahre sah das Finanzamt den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung als gegeben an. In den Vertragsabrechnungen, die B dem Kläger ausgehändigt hatte, seien regelmäßige Auszahlungen aus dem Festgelddepot und der Zinsen bescheinigt worden.

Es erließ sodann am 28.04.2017 hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2002 - 2008 geänderte Bescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag.

Dabei hatte das Finanzamt anhand der dem Kläger von B überlassenen Aufstellung "Vertragsabrechnung C vom 05.07.2006 bis zum 05.07.2013" vom 19.02.2013 und den sonstigen aufgefundenen Unterlagen folgende Zinserträge bzgl. des vom Kläger bei B / D angelegten Kapitals angesetzt:

2002

7.775,00 €

2003

27.396,60 €

2004

91.456,00 €

2005

125.648,00 €

2006

124.829,07 €

2007

132.240,41 €

2008

147.201,86 €

Am 31.05.2017 legte der Kläger fristgerecht gegen die vorgenannten Änderungsbescheide Einspruch ein.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 10.12.2018 (2002 - 2006) und vom 29.04.2019 (2007 und 2008) wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht am 11.01.2019 (2002 - 2006) bzw. 29.05.2019 (2007 und 2008) Klagen erhoben.

Zur Begründung hat er vorgetragen:

Es sei fraglich, ob und in welchem Umfang der Kläger im Rahmen eines Schneeballsystems Zinseinnahmen zu versteuern habe.

Eine Besteuerung der Scheinrenditen habe zu unterbleiben, da B nicht leistungsbereit gewesen sei. Soweit die Leistungsbereitschaft und im vorliegenden Fall auch die Leistungsfähigkeit nicht festgestellt werden könne, gehe dies zu Lasten des Beklagten. Bei Auszahlungswünschen des Klägers hab...

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