Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung einer gewerblichen Lagerhalle mit Büro und Sozialräumen im Sachwertverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 76 Abs. 1 BewG ist der Wert von Geschäftsgrundstücken zwar grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu ermitteln. Nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG ist jedoch das Sachwertverfahren bei solchen Gruppen von Geschäftsgrundstücken und in solchen Einzelfällen bebauter Grundstücke anzuwenden, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete nach § 79 Abs. 2 BewG geschätzt werden kann.
Für die Frage, ob ein Grundstück zu einer Gruppe gehört, die im Sachwertverfahren zu bewerten ist, kommt es entscheidend darauf an, ob die Gruppe die für eine Bewertung im Ertragswertverfahren erforderliche Zahl vermieteter Objekt gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung aufweist. Nur wenn dies der Fall ist, können sich die Verhältnisse der Gruppe auf die gesetzliche Gestaltung des Ertragswertverfahrens, insbesondere die Bestimmung der Vervielfältiger (§ 80 BewG), ausgewirkt haben. Die Zahl vermieteter Objekte muss deshalb so groß sein, dass die daraus abgeleitete Miete als regelmäßig gezahlte gesichert ist.
Normenkette
BewG § 76 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1, § 79 Abs. 2, § 80
Tatbestand
Streitig ist, ob eine gewerbliche Lagerhalle mit Büro und Sozialräumen nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Sachwert- oder Ertragswertverfahren zu bewerten ist.
Die Klägerin ist seit 2004 Eigentümerin des 984 qm großen Grundstücks Fl. Nr. in 1, das ihr mit Bescheid vom 29.11.2005 zum 01.01.2005 zugerechnet worden ist.
Auf dem Grundstück wurde als Stahlbeton-Skelettbau mit Mauerausfachung und Eindeckung mit wärmegedämmtem Trapezblech eine gewerbliche Lagerhalle mit Büro und Sozialräumen mit einer Länge von insgesamt 30 m und einer Breite von 12 m errichtet. Das teilweise unterkellerte Gebäude enthält im Untergeschoss die Heizung, im Erdgeschoss an der einen Giebelseite neben dem Eingang zwei Büroräume (zusammen 45 qm) und darüber die Toiletten sowie einen Pausenraum (24 qm). Der Lagerraum der Halle hat in dem an die Büroräume sich anschließenden Bereich zu etwa 1/3 seiner Länge nach oben eine Zwischendecke, über der sich ein Magazin befindet. Im Übrigen ist die Lagerhalle bis zum Dach nach oben offen. Das Gebäude ist an die Firma A GmbH vermietet, die einen Heizungsbau und Sanitärgewerbe betreibt.
Mit Art- und Wertfortschreibungsbescheid auf den 01 .01 .2005 vom 02.07.2007 traf das Finanzamt für das Grundstück die Artfeststellung Geschäftsgrundstück und stellte den Einheitswert im Sachwertverfahren auf 47.652 € (= 93.200 DM) fest. Mit Grundsteuermessbescheid vom selben Tag setzte es den Grundsteuermessbetrag zum 01.01.2005 auf 166,78 € fest.
Der Prozessbevollmächtigte erhob für die Klägerin gegen beide Bescheide Einspruch. Mit Entscheidung vom 29.08.2008 wies das Finanzamt den Einspruch gegen den Einheitswertbescheid als unbegründet zurück. Es führte dazu aus, dass das Gebäude zum überwiegenden Teil aus Lagerräumen bestehe, welche zur Gruppe von Geschäftsgrundstücken gehörten, die gemäß § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Sachwertverfahren zu bewerten seien. Für diese Gruppe von Grundstücken sei in 1 zum Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964 keine hinreichende Zahl vermieteter Objekte gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung vorhanden gewesen.
Mit der Klage begehrt der Prozessbevollmächtigte, die Einspruchsentscheidung vom 29.08.2008 aufzuheben und den Wertfortschreibungsbescheid vom 02.07.2007 dahin zu ändern, dass der Einheitswert im Ertragswertverfahren auf 28.836 € (= 56.400 DM) festgestellt und ausgehend von diesem Einheitswert der Grundsteuermessbetrag entsprechend niedriger festgesetzt wird.
Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor:
Das Grundstück sei als Geschäftsgrundstück nach § 76 Abs. 1 BewG im Ertragswertverfahren zu bewerten. Das Sachwertverfahren könnte nur angewandt werden, wenn die Jahresrohmiete nicht ermittelt bzw. nicht geschätzt werden könnte (§ 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG). Bei dem Gebäude handle es sich um ein ganz normales Geschäftsgrundstück mit Büroräumen sowie Räumen für Werkstatt und Lager, von denen es in ganz Deutschland mehrere tausend gebe und wie sie für alle Arten von Handwerk, kleinen Industriebetrieben und Einzelhandel und damit letztlich für alle Arten von Gewerbe passend seien. Gerade in solch einem Massenfall eines Gebäudes gehe das Bewertungsgesetz vom Ertragswertverfahren aus. Das streitbefangene Grundstück sei kein Grundstück, das in Abschnitt 16 Abs. 6 und 7 BewRGr genannt sei. Insbesondere handle es sich nicht um ein Lagerhausgrundstück im Sinn von Abschnitt 16 Abs. 7 BewRGr. Denn Lagerhäuser in diesem Sinn seien etwas ganz anderes, viel größer, rein für Lagerzwecke gebaut und nur dazu nutzbar. Bei dem streitbefangenen Objekt handle es sich um eine Halle für einen Handwerksbetrieb (Sanitär- und Heizungsinstallation sowie Spenglerei mit 5 Mitarbeitern), die nicht besonders auf diesen Betrieb zugeschnitten sei. Die Halle werde tatsächlich zu weniger als einem Drittel ihrer ...