Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH XI B 99/14)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit von Leistungen privater Bildungseinrichtungen: Rechtsnatur der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde
Leitsatz (redaktionell)
Die Entscheidung, ob eine Bildungseinrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet, obliegt der zuständigen Landesbehörde und unterliegt der Nachprüfung durch die allgemeinen Verwaltungsgerichte.
Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung gegeben sind, obliegt der Prüfung durch die Finanzbehörden und der vollen Nachprüfbarkeit durch die Steuergerichte.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 21a; MwStSystRL Art. 13 A Abs. 1i
Tatbestand
Streitig ist die Steuerpflicht von Umsätzen, die die Klägerin aus dem Betrieb eines Instituts für Nachhilfe- und Förderunterricht erzielte. Daneben erzielte sie steuerpflichtige Umsätze aus der Vermittlung von Immobilien.
Die Umsatzsteuererklärung 2007 ging am 04.12.2008 beim Finanzamt ein. Sie wirkte als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, §§ 168, 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).
Die Klägerin erklärte darin Umsätze aus der Vermittlung von Immobilien zum allgemeinen Steuersatz i.H.v. 57.695 €, unentgeltliche Wertabgaben i.H.v. 2.227 € und abziehbare Vorsteuerbeträge i.H.v. 3.098,82 € (errechnete Steuer 8.286,45 €). Eine Anlage "UR" fügte sie der Erklärung nicht bei, weil sie "darin keine Angaben zu machen" habe. Aus dem Kontennachweis zur Gewinnermittlung (nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz) ergibt sich jedoch, dass sie in diesem Jahr auch (vermeintlich) nach "§ 4 Nr. 21a" Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfreie Umsätze i.H.v. 145.677 € erzielte.
Das Finanzamt forderte mehrfach vergeblich die Vorlage einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG und setzte schließlich mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 06.04.2010 die Umsatzsteuer 2007 i.H.v. 31.545,59 € fest. Umsätze zum allgemeinen Steuersatz setzte es dabei i.H.v. 180.112 € an. Die übrigen Beträge blieben unverändert.
Einen Antrag der Klägerin vom 21.05.2010, den Bescheid erneut zu ändern und die Umsätze aus Nachhilfetätigkeit steuerfrei zu lassen, lehnte das Amt mit Bescheid vom 10.11.2010 ab.
Zur Begründung des Einspruchs gegen den Ablehnungsbescheid trugen die Klägervertreter vor: Zwar habe die Bezirksregierung mit Schreiben vom 08.11.2010 den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG abgelehnt, weil nicht mindestens 25 % der bei der Klägerin beschäftigten Lehrkräfte über die dafür notwendige Qualifikation (Befähigung zum Lehramt an öffentlichen Schulen) verfügten, doch werde dies in anderen Bundesländern anders gehandhabt. Das Finanzamt möge deshalb in eigener Zuständigkeit (gemäß A 114 Abs. 2 Satz 5 UStR) entscheiden, dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 UStG erfüllt seien.
Mit Einspruchsentscheidung vom 27.09.2011 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf, § 164 Abs. 3 AO. Ohne eine entsprechende Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde gebe es keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) AO.
In der Umsatzsteuererklärung 2008 erklärte die Klägerin Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i.H.v. 76.841 €, unentgeltliche Wertabgaben i.H.v. 2.227 € und abziehbare Vorsteuerbeträge i.H.v. 2.074,83 € (errechnete Steuer 12.948,30 €). Gemäß Anlage UR erzielte sie außerdem steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 21 a) UStG i.H.v. 169.461 €. Auch diese Erklärung galt mit dem Tag des Eingangs beim Finanzamt als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 28.12.2010 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 2008 i.H.v. 40.004,85 € fest. Die Umsätze aus der Nachhilfetätigkeit unterwarf es nun der Umsatzsteuer, weil die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde fehle.
Der gegen den Änderungsbescheid eingelegte Einspruch wurde ebenfalls mit Einspruchsentscheidung vom 27.09.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben, § 164 Abs. 3 AO.
Während des Klageverfahrens hat das Finanzamt die Umsatzsteuer 2007 und 2008 mit jeweils nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändertem Bescheid vom 23.10.2012 auf 30.959,73 € (2007) bzw. 39.212,74 € (2008) herabgesetzt. Die Änderung erfolgte aufgrund der am 09.10.2012 eingereichten berichtigten Erklärungen, in denen entsprechend höhere Vorsteuern ausgewiesen waren. Die Änderungsbescheide wurden Gegenstand des Klageverfahrens.
Zur Klagebegründung ist vorgebracht worden, das Finanzamt stütze die Versagung der Steuerbefreiung einzig auf die fehlende Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde. Nach Auffassung des FG Hamburg (Urteil vom 16.06.2011,6 K 165/10) könne Nachhilfeunterricht auch ohne eine solche Bescheinigung steuerfrei erteilt werden. Der Begriff des "Privatlehrers" setze nicht den Abschluss eines Hochschulstudiums und di...