Revision eingelegt (BFH VIII R 9/22)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgeltungssteuer: Berücksichtigung von Verlusten bei der Veräußerung von TecDax-Zertifikaten an eine GmbH im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine teleologische Reduktion des § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG dahingehend, dass sie in Fällen nicht zur Anwendung kommt, in denen durch die Veräußerung einer Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG an eine Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige zu mindestens 10 Prozent beteiligt ist, ein Verlust entsteht, jedoch keine Gewinnverlagerung aus dem betrieblichen in den privaten Bereich stattfindet, ist nicht zulässig (so auch FG München 5 K 2870/19 vom 29.09.2020).
2. a) Sind die Tatbestandsmerkmale der speziellen Missbrauchsvorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG erfüllt, scheidet die Anwendung der Generalklausel des § 42 Abs. 2 AO aus.
b) An der Abschirmwirkung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b EStG ändert sich nichts dadurch, dass die Rechtsfolge der Verlustverrechnung mit den Einkünften aus anderen Einkunftsarten auch dadurch eintritt, dass die Anschaffungskosten sich an den angedienten Wertpapieren fortgesetzt haben (§ 20 Abs. 4a Satz 3 EStG), da dies nicht zu einem gesetzlich vorgesehenen Steuervorteil führt, sondern zunächst nur eine gesetzlich normierte Zuordnung ohne steuerliche Auswirkung ist. Der Barausgleich wird "systemkonform" der Abgeltungsteuer unterworfen (§ 20 Abs. 4a Satz 2 EStG).
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 4a Sätze 2-3, § 32d Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b; AO § 42
Tatbestand
Streitig ist, ob der aus der Veräußerung von im Privatvermögen des Klägers gehaltenen TecDAX Zertifikaten an eine GmbH, an der der Kläger zu 100% beteiligt ist, entstandene Verlust in Höhe von 25.775.707 € als Ausnahme vom Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) der Anwendung der allgemeinen tariflichen Besteuerung unterliegt.
Die verheirateten Kläger werden beim beklagten Finanzamt zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer sowie einen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG, Einkünfte aus Kapitalvermögen und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Im Rahmen der am 21.07.2016 eingereichten Erklärung erklärte der Kläger bei den Einkünften aus Kapitalvermögen u. a. inländische Kapitalerträge, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben (Zeile 7 Anlage KSO); "korrigierte Beträge (lt. gesonderter Aufstellung)" in Höhe von 24.890.300 €.
Weiter erklärte er bei den Kapitalerträgen, die der tariflichen Einkommensteuer unterlegen haben (Zeile 21 Anlage KSO); "Laufende Einkünfte aus sonstigen Kapitalforderungen…" in Höhe von 150 € und einen "Gewinn aus der Veräußerung oder Einlösung von Kapitalanlagen lt. Zeile 21" in Höhe von ./. 25.775.707 €. Laut umfangreicher Erläuterung mit Anlagen zu den Kapitalerträgen bezüglich der Buchungen zu dem Depot 0000 bei der Bank1 hatte der Kläger über diese Bank am 08.12.2015 232.342 Teilschuldverschreibungen der Anleihe mit der ISIN A1(Anleihe) mit Anschaffungskosten im Gesamtbetrag in Höhe von 30.008.978,04 € erworben. Über die Laufzeit (26.11.2015 bis 28.12.2015) habe sich ein laufender Ertrag in Höhe von 245.802,73 € ergeben.
Entsprechend der Emissionsregelungen zu den Rückzahlungsbedingungen zum Fälligkeitstag 28.12.2015 habe der Kläger je Anleihe ein Open End-Partizipationszertifikat auf den TecDAX (ISIN A2; Kurswert zum Bewertungsstichtag 18,0832 €) zuzüglich eines Barausgleichs erhalten, so dass sich ein nach § 20 Abs. 4a Satz 3, 2. Hs. i. V. m. Satz 2 EStG zu versteuernder Sofortertrag (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) in Höhe von 24.627.415,61 € ergeben habe.
Dem stehe gegenüber, dass die Anschaffungskosten der Anleihe gem. § 20 Abs. 4a Satz 3, 1. Hs. EStG auf die angedienten Open End-Partizipationszertifikate "übergesprungen" seien.
Mit Vertrag vom 29.12.2015 habe der Kläger aus steuerlichen Gründen alle angedienten TecDAX-Zertifikate an die A-GmbH zum Stückpreis von 18,22 € verkauft und die Übertragung von seinem Depot auf ein Depot der GmbH veranlasst. Zur Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von 4.233.271,24 € habe der Kläger der GmbH am 21.12.2015 ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 5,5 Mio € gewährt.
Unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten ermittele sich ein nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG steuerbarer Veräußerungsverlust in Höhe von 25.775.706,80 €, der nach Auffassung des Klägers nach§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b) Satz 1 i. V. m. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen sei.
Für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs habe die Bank1 nach§ 43a Abs. 2 Satz 8, Satz 9 EStG einen Veräußerungsverlust in Höhe von 25.824.498,62 € ermittelt und aufgrund dieses Verlustes dem Kläger die zuvor auf den Zins- und Sofortertrag einbehaltene Kapitalertragsteuer sowie Solidaritätszuschlag erstattet.
Wegen weiterer Ein...