Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
Es bestehen weder schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der sog. Fünftelregelung (1/5-Regelung) des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 noch wäre aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Übergangsregelung für in den Jahren 1999 und 2000 erzielte Veräußerungsgewinne i. S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG zwingend geboten gewesen.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 1 S. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2-3
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Rechtmäßigkeit der Besteuerung eines von dem Antragsteller (Ast.) im Streitjahr 2000 erzielten Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 EStG.
In ihrer der Einkommensteuererklärung für 2000 beigefügten Anlage GSE erklärten die Ast. einen in der Höhe unstreitigen Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in Höhe von 9.603.416,60 DM. Dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Anwendung des hälftigen Steuersatzes gemäß § 34 EStG (Bl.23 ESt-Akte) folgte der Antragsgegner (Ag.) in dem unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheid vom 22. Januar 2002 nicht.
Den hiergegen am 01. Februar 2002 erhobenen Einspruch begründeten die Ast. unter Hinweis auf die für das Jahr 1998 geltende Fassung des § 34 EStG damit, die Regelungen zur Gewährung des halben Steuersatzes bei Anteilsveräußerungen nach § 17 EStG seien durch den Gesetzgeber ab 1999 bis einschließlich 2001 zu Unrecht aufgehoben worden. Die unrechtmäßige Besteuerung ab 1999 sei durch den Gesetzgeber ab dem Jahr 2002 durch Einführung der Versteuerung nach dem „Halbeinkünfteverfahren“ aufgehoben worden; betragsmäßig seien durch dieses geänderte Besteuerungssystem die Besteuerungsgrenzen, die bis einschließlich 1998 galten, wieder eingeführt worden. Mit dem Aussetzen des halben Steuersatzes - im Streitfall für das Jahr 2000 - habe der Gesetzgeber den angemessenen Ermessensbereich überschritten. Der vom Gesetzgeber immer verfolgte Zweck der bis einschließlich 1998 geltenden Fassung des § 34 EStG, nämlich die Milderung der Progressionswirkung bei der Erzielung einmalig auftretender außerordentlicher Einkünfte, gelte unverändert fort. Nach dem Grundsatz der Gleichheit und Gleichmäßigkeit der Bestellung begehrten sie daher die weitere Anwendung des halben Steuersatzes auch im Streitjahr. Da das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wegen Ungleichbehandlung verfassungswidrig sei, komme es im Falle der Nichtigerklärung zum Wiederaufleben des „alten“ § 34 Abs. 1 EStG und damit zur Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes.
Die ab 1999 eingeführte Aufteilung von außerordentlichen Einkünften (Fünftel-Regelung) bringe keine ausreichende Ermäßigung. Nur bei sehr geringen laufenden Einkünften sei die neue Regelung günstiger, bei hohen und mittleren laufenden Einkünften werde zu Unrecht der Progressionsvorteil der bisherigen Regelung gekappt. Durch die nicht rückwirkende Wiedereinführung der alten Regelung - wenn auch mit erheblichen Einschränkungen - zum 01.01.2001 sei eine Lücke entstanden, die unvertretbar und verfassungsrechtlich unzulässig sei.
Gleichzeitig beantragten die Ast., das Einspruchsverfahren bis zur gerichtlichen Entscheidung in einem Musterverfahren nach § 363 AO ruhen zu lassen und im Hinblick auf den strittigen Steuerbetrag die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2002 folgte der Ag. den Ast. insoweit, als er dem Antrag auf Ruhen des Einspruchsverfahrens zustimmte; die begehrte Aussetzung der Vollziehung lehnte er unter Hinweis auf einen Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 14. Januar 2002, Az.: 1 V 46/01 ab. Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 34 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 bestünden im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG deswegen nicht, weil der sich daraus ergebende Gleichheitssatz bereichsspezifisch anzuwenden sei und sich wegen der Ausgestaltung der Einkommensteuer als Jahressteuer immer nur auf den einzelnen Veranlagungszeitraum beziehe. Eine veranlagungszeitraumübergreifende Gleichbehandlung, wie sie die Ast. begehrten, gebiete Art. 3 GG nicht.
Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip liege ebenfalls nicht vor, da rechtsstaatliche Beständigkeit den Gesetzgeber nicht zum Erlass rückwirkender Gesetze verpflichte.
Im übrigen seien auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Versagung der Aussetzung der Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte.
Mit Schreiben vom 18.02.2002 erhoben die Ast. Einspruch gegen diese ablehnende Entscheidung. Entsprechend einem gleichzeitig gestellten Antrag auf Überbrückungsstundung des fälligen Steuerbetrags gegen Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft ...