Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung gezahlter Kirchensteuer als rückwirkendes Ereignis

 

Leitsatz (amtlich)

Führt die Änderung eines Einkommensteuerbescheides zur späteren Erstattung der gezahlten und als Sonderausgabe berücksichtigten Kirchensteuer und kann die erstattete Kirchensteuer nicht im Jahr der Erstattung mit gezahlter Kirchensteuer verrechnet werden, so ist die Veranlagung des Jahres der Zahlung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern; die Erstattung ist insoweit ein rückwirkendes Ereignis mit steuerlicher Wirkung für den Veranlagungszeitraum der Zahlung, da die Kirchensteuer insoweit nicht als Sonderausgabe abzugsfähig ist, als keine endgültige Belastung vorliegt

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Änderungsbefugnis des Finanzamts zu Lasten der Kläger.

Die klagenden Eheleute wurden für das Streitjahr 1996 erstmals mit Bescheid vom 25. März 1998 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Hierbei wurden gezahlte Kirchensteuern von insgesamt 50.461,-- DM als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt. Hierdurch kam es in 1998 zu einer Erstattung an röm.-kath. Kirchensteuer von 30.141,28 DM. Wegen eines geänderten Gewinnfeststellungsbescheids änderte das Finanzamt unter dem 20. April 1998 die Veranlagung 1996. Hierbei ergab sich eine Kirchensteuernachzahlung von 212,22 DM. Daneben leistete die Klägerin in 1998 weitere Kirchensteuerzahlungen von 8.465,16 DM, insgesamt also 8.677,38 DM. Bei der Veranlagung 1998 vom 08. Februar 2001 wurden diese Kirchensteuerzahlungen (8.678,-- DM) im Rahmen des Sonderausgabenabzugs mit der in 1998 erhaltenen Kirchensteuererstattung von 30.141,-- DM (Bescheid 1996 vom 25. März 1998) bis zur Höhe von Null DM verrechnet. Wegen des darüber hinausgehenden, in 1998 nicht verrechenbaren Betrags von 21.463,-- DM änderte das Finanzamt unter Berufung auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO am 08. Juni 2001 die Einkommensteuerveranlagung 1996 vom (zuletzt) 08. Februar 2001 (erneute Änderung wegen Ergehens eines geänderten Gewinnfeststellungsbescheids) dahin, dass es bei den Sonderausgaben diesen Differenzbetrag von den in 1996 gezahlten Kirchensteuern absetzte. In der Anlage zum Bescheid führte es aus, dass mangels vollständiger Kompensationsmöglichkeit der erstatteten mit der gezahlten Kirchensteuer im Zufluss-/Abflussjahr (hier: 1998) das Belastungsprinzip zum Tragen komme. Dies bedeute, dass den Kirchensteuerzahlungen 1996 die in 1998 erstattete Kirchensteuer gegenzurechnen sei, sofern dort keine Kompensationsmöglichkeit bestehe.

Mit ihrer hiergegen nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens (Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2001) erhobenen Klage machen die Kläger geltend, dass nach Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids 1996 vom 25. März 1998 ein auf 1996 rückwirkendes Ereignis nicht stattgefunden und der Sachverhalt sich nicht verändert habe. Es fehle daher an einer Änderungsbefugnis des Finanzamts. Die von diesem zitierten BFH-Entscheidungen vom 26. Juni 1996 (X R 73/94, BStBl II 1996, 646) und 28. Mai 1998 (X R 7/96, BStBl II 1999, 95) betreffen andere Sachverhalte (Kirchenaustritt bzw. rechtsgrundlose Zahlungen) und seien daher auf den Streitfall nicht anwendbar. Vielmehr sei - wie der BFH betone - aus Gründen der Praktikabilität und Rechtskontinuität lediglich eine Verrechnung im Entstehungsjahr (hier: 1998) zulässig.

Die Kläger beantragen (sinngemäß),

den geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 08. Juni 2001 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2001 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält unter Hinweis auf die zitierten BFH-Entscheidungen an seiner Rechtsauffassung fest.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt war befugt (und verpflichtet), die Einkommensteuerveranlagung 1996 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, der das Gericht folgt, sind gezahlte Kirchensteuern im Jahr der Zahlung (§ 11 Abs. 2 EStG) nur soweit als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG abzugsfähig, wie durch sie eine tatsächliche und endgültige Belastung des Steuerpflichtigen eingetreten ist. Erfolgt in einem späteren Jahr eine Erstattung, liegt keine endgültige wirtschaftliche Belastung vor, so dass an sich eine Kürzung des Sonderausgabenabzugs im Zahlungsjahr zu erfolgen hätte. Aus Gründen der Praktikabilität und auch der Rechtskontinuität ist allerdings dieser Erstattungsbetrag grundsätzlich mit der im Jahr der Erstattung gezahlten Kirchensteuer zu verrechnen (BFH-Urteil vom 26. Juni 1996, BStBl. II 1996, 646, m. w. N.). Davon gibt es zwei Ausnahmen: Ist im Jahr der Erstattung an den Steuerpflichtigen eine Kompensation mit gleichartigen Aufwendungen nicht möglich, so ist der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung um die nachträgliche Erstattung zu mindern und ein bereits bestandskräftiger Bescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern (BFH-Urteile vom ...

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