Entscheidungsstichwort (Thema)

Überentnahmen bei vorhandenem Eigenkapital

 

Leitsatz (amtlich)

Nicht abziehbare Schuldzinsen sind gemäß § 4 Abs. 4a S. 3 und 4 EStG nur hinzuzurechnen, wenn Überentnahmen vorliegen. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Eigenkapital im Fall des Betriebsvermögensvergleichs gemäß § 4 Abs. 1 EStG aufgebraucht ist. Solange es nicht aufgebraucht ist, greift § 4 Abs. 4a EStG nicht und es liegen keine Überentnahmen, sondern Entnahmen vor.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.11.2019; Aktenzeichen X R 40-41/18)

BFH (Urteil vom 05.11.2019; Aktenzeichen X R 40/18)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob im Besitzunternehmen der Klägerin in den Streitjahren 2002 bis 2004 zu verzinsende Überentnahmen vorgelegen haben.

Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und die im Streit befindlichen Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Klägerin betrieb als Einzelunternehmerin einen Werbeverlag (im Folgenden: Besitzunternehmen), der seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte. Wirtschaftsjahr war das Kalenderjahr. Zwischen dem Besitzunternehmen und der Fa. D GmbH bestand eine Betriebsaufspaltung. Es verpachtete seither das gesamte bewegliche und unbewegliche Anlagevermögen an die GmbH. Stille Gesellschafter des Besitzunternehmens waren Herr T. H. und Frau J. H., der Sohn und die Tochter der Kläger. Sie waren an der Geschäftsführung des Besitzunternehmens nicht beteiligt und sollten bei seiner Liquidation sie keine stillen Reserven an seinem Anlagevermögen erhalten.

Nach den Jahresabschlüssen der Jahre 1999 bis 2004 beliefen sich das Anfangskapital des Werbeverlages, die Einlagen, die Entnahmen und die Gewinne jeweils zum Stichtag 31.12. des jeweiligen Jahres auf folgende Beträge (in € ):

Kalenderjahr

1999

2000

2001

2002

2003

2004

Anfangskapital

1.992.983,-

2.461.965,-

1.942.418,-

1.699.919,-

1.665.221,-

1.307.614,-

Einlagen

230.252,8

-

-

-

-

4.467,4

Entnahmen

137.138,9

587.188,8

587.188,8

595.717,5

354.541,2

649.060,5

Gewinn

375.867,7

333.513,8

330.092,7

350.037,9

317.364,1

290.938,4

Das Anfangskapital (= Eigenkapital) der Klägerin war von 1999 bis 2004 durchgängig positiv und lag in allen Jahren betragsmäßig höher als die von ihr getätigten Entnahmen. Entsprechend den in den Jahresabschlüssen ermittelten Gewinnen erklärten die Kläger aus dem Besitzunternehmen der Klägerin in den Jahren 2002 bis 2004 Gewinne in Höhe von 350.037,- € (2002), von 317.364,- € (2003) und von 290.938,- € (2004).

Mit Einkommensteuerbescheiden für 2002 vom 15.07.2004 und für 2003 sowie 2004 jeweils vom 21.04.2006 veranlagte der Beklagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß. Die Bescheide ergingen unter Vorbehalt der Nachprüfung.

Am 13.09.2006 ordnete der Beklagte u. a. für die Einkommen- und Gewerbesteuer der Jahre 2002 bis 2004 eine Außenprüfung an. im Außenprüfungsbericht vom 13.07.2007 erhöhte der Außenprüfer unter Tz. 1.1 den Gewinn aus Gewerbebetrieb im Jahr 2002 auf 361.146,67 €, im Jahr 2003 auf 331.632,22 € und im Jahr 2004 auf 312.728,79 €. Unter Tz. 1.11 (nicht abziehbaren Betriebsausgaben) setzte der Prüfer Zinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG in Höhe von 3.959,- € (2002), von 6.044,- € (2003) und von 19.197,- € (2004) an.

Mit gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheiden 2002 bis 2004 vom 13.09.2007 setzte der Beklagte Gewinne der Klägerin aus dem Besitzunternehmen in Höhe von 361.146,- € (2002), von 331.632,- € (2003) und von 312.728,- € (2004) an. Die Nachprüfungsvorbehalte hob der Beklagte auf.

Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch und wandten sich insbesondere dagegen, dass Zinsaufwendungen der Klägerin als nicht abziehbare Betriebsausgaben behandelt worden seien. In den Bilanzen dieser Jahre seien die Kapitalkonten stets mit positiven Beträgen geführt worden. Es müsse hervorgehoben werden, dass zur Entnahmetätigkeit lediglich Eigenmittel beansprucht worden seien.

Nachdem das Verfahren im Hinblick auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 1868/12 ruhte, wurde es Ende des Jahres 2015 wiederaufgenommen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 01.03.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

Mit ihrer Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, der Beklagte habe in der Einspruchsentscheidung ihre Begründung nur rudimentär gewürdigt. Im Wesentlichen habe er auf den Begriff der Schuldzinsen sowie auf die ab dem Veranlagungszeitraum 2001 geänderte Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG abgehoben, nach der Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre ab dem Veranlagungszeitraum 2001 unberücksichtigt blieben und somit von einem Kapitalkonto mit dem Anfangsbestand von Null auszugehen sei.

Die Klägerin habe die Entnahmen stets aus positiven Bankguthaben ihres Einzelunternehmens finanziert. Für die Privatentnahmen seien zu keiner Zeit Darlehen verwendet bzw. aufgenommen wo...

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