rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug für das an ein Schweizer Internat gezahlte Schulgeld
Leitsatz (amtlich)
Der im Rahmen der Auslegung von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu berücksichtigende Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG ist nicht nur dann verletzt, wenn die Schule darauf abzielt, ausschließlich Schüler aus bestimmten Gesellschaftsschichten aufzunehmen, sondern auch dann, wenn die Schule nicht mehr allgemein zugänglich ist. Im Grundsatz müssen alle Schüler ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage die Privatschule besuchen können (Anschluss an höchstrichterliche Rspr.).
Eine (ausländische - hier Schweizer) Schule ist dann nicht mehr allgemein zugänglich, wenn das monatliche Schulgeld umgerechnet 1.247,39 € beträgt.
Dieses Schuldgeld ist nicht als Sonderausgabe abziehbar, auch wenn die ausländische Schule zur Abhaltung der deutschen Reifeprüfung ermächtigt worden ist.
Normenkette
GG Art. 7 Abs. 4 S. 3; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9; EGV Art. 18, 48, 234
Tatbestand
Streitig ist, ob Schulgeldzahlungen an ein Schweizer Lyceum nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig sind.
Der geschiedene Kläger ist als Kieferorthopäde selbständig tätig. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2003 machte er unter anderem Unterhaltsleistungen an seine fünfzehnjährige Tochter A in Höhe von 21.000,00 € als außergewöhnliche Belastung steuermindernd geltend. Die Tochter hatte im Streitjahr ein Schweizer Internat besucht, das Lyceum Alpinum in Z.
Auf der Anlage „Kind“ erklärte er das für 2003 ausgezahlte Kindergeld bzw. die Höhe des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs mit 924,00 € und gab an, die Tochter A habe in 2003 sowohl einen inländischen Wohnsitz als auch einen Wohnsitz in der Schweiz gehabt. Er beantragte die steuerliche Berücksichtigung von für die Tochter an das Lyceum gezahltem Schuldgeld in Höhe von 30.734,00 €. Zum Nachweis legte er zwei Rechnungen des Lyceums von 4. März 2003 und 21. August 2003 in Kopie vor, nach denen er Schuldgeld in Höhe von 11.240 CHF im März und August zu zahlen hatte. Daneben fielen noch Kosten für die Internatsbetreuung, Unterkunft, Verpflegung, Kurse und Privatstunden, Schulbücher und Schulmaterial u.a. an.
Im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 18. Mai 2005 berücksichtigte der Beklagte bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens für die Tochter A einen Kinderfreibetrag von 2.904,00 € und rechnete das entsprechende Kindergeld i.H.v. 924,00 bei der Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer hinzu. Die geltend gemachten Unterhaltsleistungen für die Tochter wurden nicht berücksichtigt; in den Erläuterungen zum Bescheid wurde hierzu ausgeführt, diese seien durch den Kinderfreibetrag oder das Kindergeld abgegolten, auch wenn der Kinderfreibetrag oder das Kindergeld einer anderen Person zustehe.
Das geltend gemachte Schulgeld wurde nicht steuerlich als Sonderausgabe berücksichtigt, weil es - so die Begründung des Beklagten - nicht für den Besuch einer Ersatz- bzw. allgemein bildenden Ergänzungsschule im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG gezahlt worden sei. Auch dies wurde dem Kläger im Einkommensteuerbescheid vom 18. Mai 2005 erläutert.
Mit seinem hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Einspruch wandte sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung der Schuldgeldzahlungen für die Tochter A und brachte vor, es bestünden ernsthafte Zweifel, ob der Abzug von Schulgeldzahlungen nur für deutsche Schulen mit dem EU-Recht vereinbar sei. Dem EuGH sei die Frage hierüber zur Vorabentscheidung vorgelegt worden. Die Schweiz sei zwar kein Mitglied der EU, aber der Gleichbehandlungsgrundsatz im Grundgesetz würde verletzt werden, wenn die Schulgeldzahlungen in EU-Ländern abzugsfähig wären und die in anderen Ländern nicht. Nach derzeitigem Standpunkt sei damit zu rechnen, dass der EuGH den § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG für nicht verfassungskonform erkläre. Bis die Frage der Abzugsfähigkeit von Schulgeldzahlungen endgültig geklärt sei, werde daher das Ruhen des Verfahrens beantragt.
Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens nicht entsprochen werden könne, da nach BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004, Az.: XI R 66/03 die Versagung des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG für das an ein (im Urteilsfall britisches) College gezahlte Schulgeld jedenfalls dann nicht das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verletze, wenn die Höhe des Schulgeldes eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern fördere und deshalb auch beim Besuch einer inländischen Schule steuerlich nicht berücksichtigt werden könne. Der BFH verweise darauf, dass schon ein Schulgeld von 170-190 DM monatlich zu einer verfassungsrechtlich untersagten Sonderung nach den Besitzverhältnissen führe. Angesichts der Höhe der geleisteten Schulgeldzahlungen im Streitfall (ca. 1.211,00 € monatlich und der zusätzlich anfallenden Unterbringungs- und Betreuungskosten) könne auch bei ihm der Sonderausgabenabzug nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG anerkannt...