rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträglicher Verzicht auf Umsatzsteuerbefreiung nur bei Änderbarkeit des Erstbescheides wirksam
Leitsatz (amtlich)
Die Wirksamkeit eines auf Grund amtsgerichtlicher Entscheidung nachträglich fingierten Verzichts auf Umsatzsteuerbefreiung einer Grundstückslieferung hängt nicht nur davon ab, dass der Unternehmer den steuerfreien Umsatz in dem Voranmeldungszeitraum steuerpflichtig behandelt, in dem er den Umsatz ausführt, sondern zusätzlich muss der Fianzbehörde noch die Möglichkeit offenstehen die Steuer für diesen Umsatz festzusetzen.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 14 Abs. 1; AO § 175 Abs. 1 Nr. 2, § 169 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob und für welchen Besteuerungszeitraum der Kläger einen Vorsteuerabzug geltend machen kann, nachdem aufgrund gerichtlicher Entscheidungen in den Jahren 1999 und 2000 der Kläger ermächtigt wurde, für eine ihm in 1992 ausgestellte Rechnung die Mehrwertsteuer gesondert auszuweisen.
Der Kläger erwarb mit notariellem Vertrag vom 23.10.1992 (Bl. 1 ff USt-Akte) von der Firma "W GmbH (i.f. W-GmbH) ein mit einem Alt- und einem Neubau bebautes Grundstück in A zu einem Kaufpreis von insgesamt 580.000.- DM, wobei auf das Grundstück 520.000.- DM und das mitverkaufte Inventar 60.000.- DM entfielen. Unter Ziff. 1 "Kaufpreis" ist festgehalten: "Im vorstehend vereinbarten Kaufpreis ist eine eventuelle Mehrwertsteuer enthalten". Der Steuerbetrag (71.228,07 DM) ist nicht genannt.
Den auf dem erworbenen Anwesen befindlichen Anbau vermietete der Kläger entsprechend seiner bereits bei Erwerb gefassten Absicht ab dem 01.11.1993 unter Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 12 UStG zunächst umsatzsteuerpflichtig. In der Umsatzsteuererklärung für 1992 machte der Kläger lediglich Vorsteuern aus Rechnungen geltend, die nachträgliche Aufwendungen auf das Gebäude betrafen; wegen des fehlenden gesonderten Ausweises der Umsatzsteuer in dem notariellen Kaufvertrag ist der Betrag von 71.228,07 DM nicht als Vorsteuer in der Jahreserklärung erfasst worden. Der Umsatzsteuerbescheid für 1992 erwuchs in Bestandskraft. Seit dem 01.03.1996 vermietete der Kläger das gesamte Grundstück mit aufstehenden Gebäuden umsatzsteuerfrei.
Wegen der angeblichen Verpflichtung der W-GmbH zum offenen Ausweis der Umsatzsteuer in der Urkunde vom 23.10.1992 kam es zu Streitigkeiten zwischen Kläger und der W-GmbH. Im Jahre 1998 erhob der Kläger beim Amtsgericht B unter dem Aktenzeichen ... Klage gegen die Veräußerin mit dem Ziel, sie zu verpflichten, die Vorsteuer von 71.228,07 DM gesondert auszuweisen. Mit Versäumnisurteil vom 11.05.1999 verurteilte das Amtsgericht die beklagte W-GmbH, "für den am 23.10.1992 geschlossenen Grundstückskaufvertrag" eine Rechnung zu erteilen, in der die Mehrwertsteuer gesondert ausgewiesen ist" (Bl. 5 USt-Akte). Nachdem die W-GmbH ihrer Verpflichtung nicht nachkam, beschloss das Amtsgericht am 17.03.2000 (Bl. 8 USt-Akte), den Kläger nach Maßgabe des vollstreckbaren Versäumnisurteils zu ermächtigen, den gesonderten Ausweis durch einen vom Kläger zu benennenden Steuerberater vornehmen zu lassen. Daraufhin erstellte der steuerliche Berater des Klägers am 12.04 2000 eine Anlage zum Kaufvertrag vom 23.10.1992, mit der unter Bezugnahme auf diesen Beschluss eine Vervollständigung folgenden Inhaltes beigefügt wurde: "Im vorstehend vereinbarten Kaufpreis von 580.000.- DM ist eine Mehrwertsteuer von 14 % (71.228,07 DM) enthalten" (Bl. 10 USt-Akte).
Am 14.04.2000 (Bl. 11 USt-Akte) beantragte der Kläger, den Umsatzsteuerbescheid 1992 gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO mit der Maßgabe zu ändern, dass weitere Vorsteuern in Höhe von 71.228,07 DM zu berücksichtigen seien. Den Antrag wies der Beklagte mit Bescheid vom 19.05.2000 ebenso wie den Einspruch mit Entscheidung vom 20.06.2000 zurück (Bl. 24 ff. USt-Akte). Die dagegen erhobene Klage ist Gegenstand des Verfahrens 6 K 2220/00.
Nachdem der Kläger von der ablehnenden Einspruchsentscheidung vom 20.06.2000 erfahren hatte, reichte er am 24.06.2000 eine Umsatzsteuervoranmeldung für den April 2000 ein, mit der er die abziehbare Vorsteuer in Höhe von 71.228,07 DM geltend machte (Bl. 37 USt-Akte). Im Zuge der Bearbeitung der Voranmeldung brachte der Beklagte beim für die W-GmbH zuständigen Finanzamt K in Erfahrung, dass die GmbH Ende 1998 wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst worden sei. Die GmbH habe in 1992 ausschließlich steuerfreie Umsätze und in den Folgejahren bis zur Auflösung keine Umsätze mehr erklärt. Die Umsatzsteuererklärung 1992 der W-GmbH sei im Kalenderjahr 1994 eingegangen. Mit Ablauf des Jahres 1998 sei Festsetzungsverjährung eingetreten (Aktenvermerk vom 01.08.2000, Bl. 39 USt-Akte). Daraufhin erließ der Beklagte am 15.08.2000 einen Bescheid, mit dem er die Umsatzsteuerschuld für den Monat April 2000 auf 0.- DM festsetzte (Bl. 42, 43 USt-Akte). Den Einspruch wies er mit Entscheidung vom 20.09.2000 zurück (Bl. 47 ff. USt-Akte). Die dagegen erhobene Klage ist Gegenstand des weiteren Verfahrens 6 K 2692...