Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbildung eines Masseurs und medizinischen Bademeisters zum Physiotherapeuten als Werbungskosten
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen eines Masseurs und medizinischen Bademeisters zum Physiotherapeuten sind nicht lediglich beschränkt als Sonderausgaben abzugsfähig, sondern in vollem Umfang als vorweg genommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit, (bzw. ggf als vorweg genommene Betriebsausgaben, falls im Anschluss an die Weiterbildung die Eröffnung einer eigenen Praxis beabsichtigt ist) zu berücksichtigen.
2. Eine Unterbrechung der Berufstätigkeit vor Aufnahme der Fortbildung beseitigt nicht zwingend den Zusammenhang der Aufwendungen für die Fortbildung mit der Einkunftserzielung.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7
Tatbestand
Streitig ist, ob Weiterbildungskosten steuerlich als Sonderausgaben oder Werbungskosten berücksichtigungsfähig sind.
Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Sie haben zwei 1991 und 1993 geborene Kinder.
Die Klägerin hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Masseurin und medizinische Bademeisterin. Bis Februar 1991 stand sie in einem Vollzeit-Arbeitsverhältnis. Von 1992 bis 1998 arbeitete sie in Teilzeit unentgeltlich in der Praxis ihres Vaters. Im Streitjahr 1999 begann sie eine Weiterbildung zur Physiotherapeutin; dafür fielen 1999 Kosten in Höhe von 20.190,88 DM an. Am 20. August 2000 erwarb sie den Abschluss als Physiotherapeutin. Seit dem 1. September 2000 war sie als geringfügig Beschäftigte tätig und seit Mai 2001 steht sie in einem regulären Teilzeit-Arbeitsverhältnis.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger die Kosten der Klägerin für die Weiterbildung zur Physiotherapeutin als vorweg genommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit geltend. Der Beklagte gewährte nur den Sonderausgabenabzug in Höhe von 1.800 DM. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Beklagte stützte die Versagung vorweg genommener Werbungskosten darauf, dass die Klägerin vor Durchführung der Fortbildung ihre entgeltliche Berufstätigkeit für mehrere Jahre wegen der Kindererziehung unterbrochen habe, in dieser Zeit nur stundenweise unentgeltlich in ihrem Beruf gearbeitet habe, und anschließend nur eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen habe, dass es also an einem Zusammenhang mit dem einkommensteuerpflichtigen Einnahmen aus nicht selbstständiger Tätigkeit fehle.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Anerkennung der Weiterbildungskosten als so genannte Fortbildungskosten. Sie tragen vor, die Klägerin habe vor der Weiterbildungsmaßnahme in der Praxis ihres Vaters unentgeltlich gearbeitet, da der Vater die Absicht habe, wenn er sich zur Ruhe setze die Praxis seiner Tochter zu übergeben. Zu der Weiterbildung habe sie sich entschlossen, da das Berufsbild des Masseurs sich durch gesetzliche Bestimmungen, das Verordnungsverhalten der Ärzte und europäische Harmonisierungstendenzen gravierend verändert habe. Die Durchführung der früher durch den staatlich geprüften Masseur erbrachten Leistungen werde auf das Berufsbild des Physiotherapeuten übertragen. Dass die Klägerin im Anschluss an den Abschluss der Fortbildung nur eine geringfügige Beschäftigung erlangt habe, liege daran, dass die physiotherapeutischen Praxen wegen der Leistungskürzungen im Gesundheitswesen Mitarbeiter erst dann fest einstellten, wenn durch „Erprobung“ festgestellt worden sei, dass sie zu einer Umsatzsteigerung beitragen. Die derzeitige Arbeitgeberin der Klägerin habe dieser in Aussicht gestellt, in ein reguläres Angestelltenverhältnis übernommen zu werden, wenn dies durch eine entsprechende Umsatzerhöhung erwirtschaftet werde.
Nach der Rechtsprechung des BFH sei ein Vorrang des Sonderausgabenabzugs vor dem Abzug als Werbungskosten, bzw. Betriebsausgaben nicht gegeben. Aufwendungen für die berufliche Fortbildung seien als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigungsfähig, wenn für die Zeit nach Abschluss der Fortbildung tatsächlich Einnahmen aus der Berufstätigkeit angestrebt würden und die Klägerin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe.
Die Klägerin habe die Fortbildung zur Physiotherapeutin gerade im Hinblick auf die von ihr avisierte weitere Beschäftigung durchgeführt. Sie habe die anschließende Erzielung von Einnahmen daraus angestrebt. Der Umstand, dass die Einnahmen zunächst aus einer nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegenden geringfügigen Beschäftigung herrührten, stehe der steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit als vorab entstandene Werbungskosten nicht entgegen. Dieser Umstand sei schlicht auf den nach Abschluss der Fortbildung vorgefundenen Stellenmarkt zurückzuführen. Eine Differenzierung danach, ob sofort oder erst später eine reguläre Anstellung möglich ist, sei nicht gerechtfertigt. Der Betreuungsbedarf für die Kinder bedeute nicht, dass die Klägerin dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Eine Vollzeitbeschäftigung sei nicht Voraussetzung für vorab entstandene Werb...