Revision eingelegt (BFH IX R 23/11)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammentreffen von Tarifermäßigung und negativem Progressionsvorbehalt - additive Methode - oder integrierte Steuerberechnung nach dem Günstigkeitsprinzip
Leitsatz (amtlich)
Treffen Tarifermäßigung und negativer Progressionsvorbehalt zusammen, so ist eine integrierte Steuerberechnung nach dem Günstigkeitsprinzip in der Weise vorzunehmen, dass die ermäßigt besteuerten außerordentlichen Einkünfte bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes im Sinne des § 32 b Abs. 2 EStG einbezogen werden Aus dem systematischen Zusammenhang des § 34 Abs. 1 EStG zu § 32 b EStG folgt, dass sich die im Rahmen der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 EStG durchzuführende Fünftelung nur auf die außerordentlichen Einkünfte und das zu versteuernde Einkommen bezieht, nicht aber auf die den Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach § 32 b EStG. Diese sind erst bei der Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 EStG maßgebenden Einkommensteuerbeträge zu berücksichtigen.
Bei Rückzahlung der Progressionseinkünfte sind diese nur zur Ermittlung des entsprechenden niedrigeren Steuersatzes einzubeziehen. Dabei darf die Berechnung der Einkommensteuer bei Anwendung sowohl der Tarifermäßigung als auch des (negativen) Progressionsvorbehaltes nicht dazu führen, dass eine höhere Belastung entsteht als bei ausschließlicher Anwendung der Tarifermäßigung bzw. des negativen Progressionsvorbehaltes; beide Vergünstigungen müssen zur Anwendung kommen, wobei allerdings die Steuerentlastung nur den Tarif betrifft und der Entlastungsbetrag maximal auf den Betrag der Rückzahlung zu beschränken ist.
Normenkette
EStG 2008 § 3 Nr. 2; EStG 2008 § 32b Abs. 1 Nr. 1a und Abs. 2 S. 1 Nr. 1; EStG 2008 § 34 Abs. 1 Und Abs. 2 Nr. 2; EStG 2008 § 24 Nr. 1a; EStG 2008 § 2 Abs. 1 Nr. 4; EStG 2008 § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer bei Zusammentreffen eines negativen verbleibenden zu versteuernden Einkommens (zvE) nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG 2008 mit Einkünften, die dem negativen Progressionsvorbehalt des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 a Abs. 2 EStG 2008 unterliegen.
Der 1950 geborene Kläger - Bankkaufmann - wird für das Streitjahr 2008 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung hat er letztlich einen Betrag von 3.374,00 € als im Streitjahr 2008 an die Arbeitsverwaltung zurückgezahltes Arbeitslosengeld geltend gemacht. Seine frühere Arbeitgeberin - eine Bank - hatte in der Lohnsteuerbescheinigung 2008 die Dauer des klägerischen Arbeitsverhältnisses für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Juli 2008 sowie einen ermäßigt besteuerten Arbeitslohn des Klägers von 260.000,00 € angegeben. Entsprechend der klägerischen Darlegung und den Feststellungen des Finanzamts handelte es sich bei der ausgewiesenen Lohnzahlung um eine nach §§ 24 Nr. 1 a, 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigte Abfindungsleistung. Mit Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 24. Februar 2010 (Bl. 82, im Folgenden jeweils: ESt-Akte) setzte das Finanzamt entsprechend seinem Schreiben vom 22. Dezember 2009 (Bl. 38) bei den klägerischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von 256.751,00 € und einem nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG ermittelten „verbleibenden zu versteuernden Einkommen“ von ./. 7.872,00 € unter Ansatz eines zu versteuernden Einkommens von 248.879,00 € und einer tariflichen Einkommensteuer von 62.480,00 € nach Abzug einer Steuerermäßigung nach § 35 a EStG die Einkommensteuer mit 62.180,00 € fest.
Mit Entscheidung vom 8. April 2010 wies es den Einspruch des Klägers, der unter Vorlage einer anderweitigen Berechnung (Bl. 25 und 26) die tarifliche Einkommensteuer mit 41.565,00 €, später - nach DATEV: 59.045,00 € (Bl. 51 und 52) -, errechnet hatte, als unbegründet zurück (Bl. 133).
Bei ihren Berechnungen hatten sowohl das Finanzamt als auch - unter Berücksichtigung der DATEV-Rechnung - der Kläger die nach der Grundtabelle bemessenen Einkommensteuer auf das um das zurückgezahlte Arbeitslosengeld von 3.374,00 € verminderte Fünftel des zu versteuernden Einkommens (1/5 von 248.879,00 € = 49.775,00 €; 49.775,00 € ./. 3.374,00 € = 46.401,00 €) mit 11.649,00 € ermittelt. Während aber das Finanzamt unter Gegenüberstellung der Steuer von 11.649,00 € zu 46.401,00 € den durchschnittlichen Steuersatz mit 25,1050 % errechnete, diesen Satz auf das um das Arbeitslosengeld unverminderte Fünftel des zu versteuernden Einkommens (1/5 von 248.879,00 €) von 49.775,00 € anlegte, das Ergebnis (12.496,00 €) mit dem Faktor 5 multiplizierte und zu einer tariflichen Einkommensteuer von 62.480,00 € gelangte, errechnete der Kläger unter Vervielfältigung des Betrages von 11.649,00 € zunächst eine Steuer von 58.245,00 €, die er dem um das Arbeitslosengeld von 3.374,00 € verminderten zu versteuernden Einkommen von 248.879,00 € (= 245.505,00 €) gegenüberstellte. Den auf diese Weise errechneten Steuersat...