Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Aufgabe des Bekanntgabewillens bei versehentlicher Absendung eines Steuerbescheides durch die Finanzbehörde / Umzugskosten als Werbungskosten bei Verschlechterung der Verhältnisse bei Familienangehörigen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Aufgabe des Bekanntgabewillens bei versehentlicher Absendung eines Steuerbescheids bedarf der klaren und eindeutigen Dokumentierung in den Akten. Dazu reicht die Kopie einer Liste von stichprobenweise durch den Sachgebietsleiter überprüften Fällen, aus der sich eindeutig ergibt, dass ein Storno des Steuerfalls angeordnet worden ist.
2. Der steuerlichen Anerkennung von Umzugskosten kann die Verschlechterung der Verhältnisse bei Familienangehörigen entgegenstehen.
Normenkette
AO § 122; EStG §§ 9, 12 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Ansatz von Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1997.
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Angesteller bei der Industrie- und Handelskammer für ... in ... beschäftigt. Seine Ehefrau ist als Lehrerin an einer Schule in ... tätig. Am 18. April 1997 zogen die Kläger von ihrer bisherigen, gemieteten Wohnung in ...-Straße ... in ein im Eigentum der Klägerin stehendes Einfamilienhaus im ... Weg 2c in ... Dieses am 19. November 1992 erworbene Grundstück war bis 31. März 1997 fremdvermietet.
Während der Kläger vor dem Umzug eine Entfernung von 4 km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurücklegen musste, betrug die Wegstrecke nach dem Umzug 33 km. Die Klägerin benutzte vor dem Umzug ihren Pkw auf einer Strecke von 35 km, während sie nach dem Umzug wenige Minuten zu Fuß zu ihrer Arbeitsstätte gelangt.
In der Einkommensteuererklärung wurden bei den Einkünften der Klägerin aus nicht selbständiger Tätigkeit auf der Anlage N u. a. Umzugskosten in Höhe von 4.191,-- DM als Werbungskosten geltend gemacht (Kosten für Spedition von 1.955,58 DM, Kosten für 9 Fahrten mit eigenem Pkw von 327,60 DM und Pauschale für sonstige Umzugskosten von 1.907,-- DM). Antragsgemäß berücksichtigte der Beklagte diese Kosten im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 30. November 1998. Im Verfügungsteil der Einkommensteuererklärung, welche zugleich als Eingabewertbogen diente, verfügte die Bearbeiterin, dass die eingetragenen Daten zu erfassen seien. Die Verfügung ist vom Sachbearbeiter mitgezeichnet worden. Aufgrund des Prüfhinweises in einer am 23. November 1998 erstellten Auflistung der Prüfhinweise für den Sachgebietsleiter verfügte dieser am 24. November 1998 die Stornierung des Bescheides auf dieser Liste (Vermerk „Storno“ neben dem Steuerfall. Laut EDV-Ausdruck vom 11. Mai 2000 wurde die kassenmäßige Erfassung des Erstattungsbetrages von 20.090,-- DM am 25. November 1998 durch den Sachbearbeiter storniert. Am 10. Dezember 1998 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid, in dem der Abzug der Umzugskosten versagt wurde. Auf die Aktenausfertigung des Einkommensteuerbescheides wird Bezug genommen.
Dagegen legten die Kläger Einspruch ein und machten u. a. geltend, der Bescheid vom 30. November 1998 habe mangels Änderungsvorschrift nicht mehr geändert werden können. Hierauf erläuterte der Beklagte den Klägern, dass es sich bei dem Bescheid vom 10. Dezember 1998 um einen erstmaligen Bescheid für das Jahr 1997 gehandelt habe, während der Bescheid vom 30. November 1998 bereits am 25. November 1998 storniert und nur versehentlich und ohne Bekanntgabewillen versandt worden sei. Den Einspruch wies der Beklagte am 13. Januar 2000 zurück. Auf die Aktenausfertigung der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.
Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, der Bescheid vom 30. November 1998 sei mittlerweile bestandskräftig. Die streitbefangene Änderung am 10. Dezember 1998 sei zu Unrecht erfolgt. Hinsichtlich des Bescheides vom 30. November 1998 lägen alle für eine wirksame Bekanntgabe erforderlichen Umstände vor. Nach der Rechtsprechung könne nur dann von mangelnder Bekanntgabe wegen des Fehlens des behördlichen Bekanntgabewillens ausgegangen werden, wenn aus den Akten der beklagten Behörde ausreichend dokumentiert hervorgehe, dass der einmal gefasste Bekanntgabewille wieder aufgegeben worden sei. Dies sei weder durch Vorlage der „Dokumentation“ substantiiert unter Beweis gestellt worden, noch aus sonstigen Umständen ersichtlich. Der vorgelegte EDV-Ausdruck vom 23. November 1998 sage lediglich aus, dass der Sachgebietsleiter am 24. November 1998 aufgelistete Fälle überprüft habe und ein „Storno“ erfolgen sollte. Ob ein solcher sodann erfolgt sei, sei seitens der Beklagten gerade nicht dokumentiert worden. Auch fände sich weder in der Akte noch zum Zeitpunkt des 2. Bescheides vom 10. Dezember 1998 ein Hinweis auf die seitens des Beklagten behauptete Stornierung, so dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der...