Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt einer Betriebsaufgabe
Leitsatz (amtlich)
Eine rückwirkende Betriebsaufgabeerklärung, die mehr als drei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die Betriebsaufgabe erklärt wurde, abgegeben wurde, ist eine Betriebsaufgabeerklärung zu dem Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung beim Finanzamt, mit der Folge, dass eine Aufgabebilanz zu diesem Zeitpunkt aufzustellen ist. Da eine Betriebsaufgabeerklärung widerruflich nur bis zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt ist, ist die Erklärung mit Eingang beim Finanzamt unwiderruflich. Irrt der Steuerpflichtige über die steuerlichen Konsequenzen der Betriebsaufgabeerklärung, so handelt es sich dabei um einen Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung der Erklärung berechtigt. Die Erklärung eines Aufgabegewinns ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Betriebsaufgabeerklärung. Ein widersprüchliches Verhalten des Steuerpflichtigen nach Abgabe der Betriebsaufgabeerklärung ist irrelevant. Die Nichterstellung einer Aufgabebilanz berechtigt das Finanzamt zur Schätzung des Aufgabegewinns.
Normenkette
EStG §§ 14, 16 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob im Streitjahr eine Betriebsaufgabe vorlag, oder ob diese bereits zu einem früheren, bestandskräftig veranlagten Zeitpunkt erfolgt war.
Die Klägerin hatte einen landwirtschaftlichen Betrieb, der aus Acker- und Weinbergsflächen bestand. Die Ackerflächen waren bereits seit 1970 verpachtet; die Weinbergsflächen wurden bis 1994 selbst bewirtschaftet.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 (Bl. "vor 1" der Einkommensteuerakte) teilte die Klägerin durch ihren Steuerberater dem Beklagten mit, dass sie zum 30. Juni 1994 die Betriebsaufgabe erkläre. Mit Schreiben vom 3. Januar 1995 (Bl. "vor 2" ESt-Akte) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass eine rückwirkende Betriebsaufgabeerklärung spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt abgegeben werden müsse; da die Aufgabeerklärung nicht innerhalb dieser Frist abgegeben worden sei, gelte der Betrieb gemäß Abschnitt 139 Abs. 5 der Einkommensteuerrichtlinien 1993 als zum Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung aufgegeben.
In ihrer am 8. Juli 1996 eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 1994 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowohl des Wirtschaftsjahres1993/94 als auch 1994/95. Eine Betriebsaufgabe ist dort nicht erwähnt. Die Einkommensteuer für 1994 betrug Null DM.
Am 17. Juni 1997 stellte der Steuerberater der Klägerin den Antrag auf Löschung des Steuerfalles (Bl. "vor 10" ESt-Akte). Der Antrag wurde damit begründet, dass die Klägerin nur Pachteinnahmen von 10.000 DM und eine Rente mit einem Ertragsanteil vom 2.800 DM erziele; nach Abzug des L+F-Freibetrages und der Sonderausgaben verbliebe ein zu versteuerndes Einkommen von nur ca. 10.000 DM. Durch die direkte Steuerermäßigung für Landwirte könne aber erst bei einem zu versteuernden Einkommen ab 15.000 DM Steuer anfallen. Mit Schreiben vom 19. Juni 1997 fragte der Beklagte an, ob der Betrieb aufgegeben oder weiter geführt werde. Mit Schreiben vom 24. Juni 1997 antwortete die Klägerin, dass die Betriebsaufgabe nicht erklärt werde (Bl. "vor 12" ESt-Akte).
Am 8. Juli 1998 ging beim Beklagten eine Betriebsaufgabeerklärung zum 30. Juni 1998 ein (Bl. 1/1998 ESt-Akte).
Am 28. Juli 2000 reichte die Klägerin die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1998 ein. Einen Aufgabegewinn ermittelte sie nicht, da sich aus ihrer Sicht kein Gewinn ergebe. Alle im Grundstücksverzeichnis enthaltenen Flächen seien seit 1933 im Familienbesitz, und aufgrund der früher höheren Werte sei kein Aufgabegewinn festzustellen. Darüber hinaus würden sich sämtliche Flächen nicht mehr im Betriebsvermögen befinden, da sie wegen einer Nutzungsänderung vor dem 1. Juli 1979 gemäß BMF-Schreiben vom 15. März 1979 (BStBl I 1979, S. 162) als entnommen gelten würden.
Der Beklagte ermittelte unter Berücksichtigung eines Gutachtens seines Bausachverständigen einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 207.650 DM; der Bescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung. Im Einspruchsverfahren wurde der Veräußerungsgewinn nach vorheriger Gewährung rechtlichen Gehörs mit 646.546 DM angesetzt. In der Einspruchsentscheidung wurde er auf 636.102 DM reduziert.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, die Betriebsaufgabeerklärung vom 14. Dezember 1994 habe nicht rückgängig gemacht werden können, da sie unmissverständlich von der Klägerin, die steuerlich beraten gewesen sei, abgegeben worden sei. Die Aufgabeerklärung sei unwiderruflich. Auch eine Anfechtung wegen Irrtums sei nicht möglich.
Dass im weiteren Verlauf des Besteuerungsverfahrens dem Beklagten mitgeteilt worden sei, dass keine Betriebsaufgabe erklärt werde, könne damit erklärt werden, dass der Bearbeiter (Herr S) über die frühere Betriebsaufgabeerklärung nicht informiert gewesen sei. Der die Steuererklärungen bis 1994 bearbeitende Mitarbeiter sei Ende 1996 aus Al...