Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Erklärungspflichten eines Betreuers
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betreuer hat die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung auch für die vor seinem Eintritt in seine Funktion als Betreuer liegende Veranlagungszeiträume, soweit diese noch nicht festsetzungsverjährt sind.
2. Der Betreuer muss sich über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der von ihm betreuten Person informieren, sich bei dem Finanzamt über den Stand der Veranlagungen erkundigen und sich ggf. die für eine Steuererklärung notwendigen Unterlagen beschaffen.
3. Verletzt der Betreuer die ihm obliegenden steuerlichen Erklärungspflichten, kann der Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen vorliegen, der dem Steuerpflichtigen zuzurechnen ist.
Normenkette
AO § 34 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 149, 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-3, § 171 Abs. 5, § 369 Abs. 2, § 370 Abs. 1 Nrn. 1-2; EStG § 25 Abs. 3 S. 1; EStDV § 56 Abs. 1 Nr. 2b; BGB § 1902
Tatbestand
Streitig ist, ob für das Streitjahr (1992) noch ein Einkommensteuerbescheid ergehen konnte.
Der Kläger ist Alleinerbe der am 19.04.1916 geborenen und am 26.09.2002 in A verstorbenen A. M. (M), geb. K. (Erbschein des Amtsgerichts Rn vom 15.03.2007, Az: VI 419/02, Bl. 734 Nachlassakten). M hatte nach dem Schwerbehindertenausweis vom 18.05.1994 einen Grad der Körperbehinderung von 100 %. Daneben waren diverse Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen festgestellt (Bl. 70 Rechtsbehelfsakten - RbA -). Durch Beschluss des Amtsgerichts M vom 09.04.1997 (Az.: 27 XVII M 54/97) wurde der Kläger zum Betreuer von M für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge bestimmt (Bl. 97 Prozessakten - PA -). Der Aufgabenkreis wurde am 31.03.1999 auf den Bereich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post erweitert.
Am 02.06.1997 wurde der Kläger vom Amtsgerichts A als Betreuer der M verpflichtet und es wurde ihm eine Urkunde über seine Bestellung zum Betreuer ausgehändigt. (Bl. 99 PA). Am selben Tage überreichte der Kläger dem Amtsgericht ein Vermögensverzeichnis (Stand: 02.06.1997). Ausweislich der Vermögensaufstellung (Bl. 102 PA) verfügte M zu jener Zeit über ein Gesamtvermögen der Geldanlagen in Höhe von 1.092.250,67 DM. Konten der M bestanden demzufolge bei der S-Bank, der P-Bank, der D-Bank und der C-Bank und es wurden bei diesen Geldinstituten für M Giro- und Sparkonten, Geldmarkt- und Festgeldkonten geführt sowie Wertpapierdepots unterhalten. Mit Beschluss des Amtsgerichts R vom 15.10.1997 (Az.: XVII 163/1997, Bl. 104 PA) wurde auf Antrag des Klägers (Bl. 103 PA) die Auflösung der Konten der M bei der C-Bank und Transferierung der Guthaben zur S-Bank zur dortigen Neuanlage in Renten- und Aktienfonds vormundschaftlich genehmigt.
In einem Erbscheinverfahren gelangte das Landgericht K zu dem Ergebnis, M sei jedenfalls zum jeweiligen Zeitpunkt der Errichtung ihrer beiden Testamente vom 24.11.1995 und vom 1.02.1996 gemäß § 2229 Abs. 4 BGB testierunfähig gewesen (Beschluss vom 26. Juli 2007, Bl. 805 ff. Nachlassakten).
Am 21.12.1999 erteilte die Steuerfahndungsstelle einen Ermittlungsauftrag für sämtliche Steuern der M vom Umsatz, Einkommen, Ertrag und Vermögen, soweit die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist. Der Kläger reichte am 31.01.2000 erstmals für M eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 ein. Die Abgabe der Steuererklärung wertete die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts K als Selbstanzeige. Am 21.02.2000 leitete sie ein Ermittlungsverfahren gegen M wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommen- und Vermögensteuer ab 1993 ein und gab dies dem Kläger als Betreuer der M am 23.02.2000 bekannt. Mit Schreiben vom 16.07.2001 wurde der Kläger aufgefordert, für M die fehlenden Steuererklärungen ab 1987 abzugeben.
Ausweislich des Berichts über die Steuerfahndungsprüfung vom 20.12.2002 (Bl. 3 RbA) war M für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1996 steuerlich nicht erfasst. Sie war seit dem 14.10.1988 verwitwet und bezog Versorgungsbezüge aus einem früheren Dienstverhältnis ihres verstorbenen Ehemannes. Aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt sie zudem eine Witwenrente. Aus der Vermietung von Wohneinheiten erzielte M Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Sie verfügte über erhebliches Vermögen und erzielte hieraus beträchtliche Kapitaleinkünfte. So unterhielt M u.a. Konten bei der D-Bank, der S-Bank und der C-Bank und sie war Inhaberin von Tafelpapieren (IHS S-Bank "S. 3", "S. 2" und "S. 9"). Mitteilungen der Steufa zufolge - so der Fahndungsbericht - habe M bei der S-Bank M zumindest bereits im Jahre 1989 sog. Tafelpapiere erworben, die anschließend nach Luxemburg transferiert worden seien, teilweise seien auch Zinsscheine (sog. Kupons) im Ausland, nämlich in den Niederlande, eingelöst worden. Die Höhe der in den Jahren 1987 bis 1999 erzielten Kapitaleinnahmen sind in der Anlage zu dem Fahndungsbericht dargestellt (Bl. 16 ff. RbA). Dabei beruhen die für die Jahre 1987 ...