rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein grundsätzlicher Anspruch auf Vorbehaltsfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch grundsätzlicher Art des Steuerpflichtigen auf eine Vorbehaltsfestsetzung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO besteht nicht.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BVerfGG § 79 Abs. 2; AO §§ 85, 164 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Aufnahme eines Vorbehaltes der Nachprüfung in ihren Einkommensteuerbescheid 2003 hat.

Die Klägerin ging im Streitjahr einer nichtselbständigen Arbeit nach und bezog außerdem Einkünfte aus gewerblicher Beteiligung und anteilige Vermietungseinkünfte aus einer Grundstücksgemeinschaft. Mit Einkommensteuerbescheid vom 30.08.2005 für den streitigen Veranlagungszeitraum setzte der Beklagte die Einkommensteuer mit Ausnahme der anteiligen Vermietungseinkünfte entsprechend der Einkommensteuererklärung fest. Die anteiligen Vermietungseinkünfte wurde nicht wie beantragt mit einem Verlust von 1.104,-- €, sondern mit einem Gewinn in dieser Höhe berücksichtigt. Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch ein und beantragte die Abänderung der anteiligen Vermietungseinkünfte in einen Verlust von 1.104,-- € sowie die Aufnahme eines Vorbehaltes der Nachprüfung in ihren Einkommensteuerbescheid. Sie begründete letzteres Begehren im Wesentlichen damit, dass das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gemäß § 85 Abgabenordnung (AO), welcher Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Grundgesetz (GG) sei, verletzt sei. Die ständig komplizierter, länger und immer unsystematischer werdenden Steuergesetze würden permanent geändert, so dass oft nur mühsam herauszufinden sei, welche Gesetzesfassung für welches Jahr gelte. Neben dieser immer stärker werdenden Gesetzgebungsflut wirke nun auch die höchstrichterliche Rechtsprechung einer gleichmäßigen Besteuerung entgegen.

Diesbezüglich berief sie sich auf folgende Beispiele:

  • Entscheidung des EuGH vom 08.05.2003 hinsichtlich des Vorsteuerabzuges für die private Wohnung im Unternehmensgebäude (sog. Seeling-Urteil)
  • Entscheidung des EuGH vom 17.02.2005 hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit von Glücksspielen
  • Entscheidung des BVerfG vom 11.01.2005 hinsichtlich der Berechnung der eigenen Einkünfte eines Kindes für das Kindergeld
  • Entscheidung des BFH vom 16.10.2002 hinsichtlich der Kürzung des Vorwegabzuges bei Alleingesellschaftern einer GmbH
  • Entscheidung des BFH vom 10.02.2005 hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von Vorsteuern bei Bewirtungen aus betrieblichem Anlass
  • Entscheidung des Finanzgerichts Niedersachsen vom 23.05.2005 hinsichtlich der Möglichkeit des Abzugs von Rentenversicherungsbeiträgen als vorab veranlasste Werbungskosten.

In all diesen Fällen seien Steuerbürger, die aufgrund der geltenden Gesetzeslage fristgerecht ihre Steuererklärung dem Finanzamt zur Bearbeitung vorlegten und endgültig veranlagt wurden gegenüber Steuerbürgern, die dieser Verpflichtung verspätet nachkamen, bzw. deren Veranlagung vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt wurden, schlechter gestellt. Aufgrund der Häufigkeit höchstrichterlicher Entscheidungen, die teilweise über Generationen gewachsene Grundsätze nationaler Gesetzesauslegung radikal veränderten, könne von einer gleichmäßigen Besteuerung und einer Rechtsicherheit nicht die Rede sein. Um sich einem Gleichgewicht zwischen verfassungsrechtlichem Anspruch und Realität wieder anzunähern, sei eine grundsätzliche Bescheiderteilung, welche die materielle Bestandskraft verhindere, geboten.

Am 25.11.1005 erließ der Beklagte nach geänderter Mitteilung durch das Wohnsitz-Finanzamt einen nach § 175 Abs.1 Nr.1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2003, in dem es die anteiligen Vermietungseinkünfte mit einem Verlust von 1.104,-- € ansetzte. Dieser geänderte Einkommensteuerbescheid wurde zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20.07.2006 wies der Beklagte den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass gem. § 164 Abs.1 Satz 1 AO Steuern, solange der Fall nicht abschließend bearbeitet sei, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt würden, ohne dass dies einer Begründung bedürfe. Solange der Vorbehalt wirksam sei, könne die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden und der Steuerpflichtige könne die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen, die Entscheidung darüber könne jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalles, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen sei, hinausgeschoben werden (§ 164 Abs.2 AO).

Entscheidendes Merkmal der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung sei, dass einerseits im Interesse des Fiskus eine rasche Steuererhebung möglich sei, andererseits der Steuerfall, sowohl zugunsten des Fiskus als auch des Steuerpflichtigen, offen gehalten wird. Die Änderung der Vorbehaltsfestsetzung sei jederzeit, zu Gunsten und zu Lasten des Steuerpflichtig...

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