Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung von Kindergeldfestsetzungen
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des § 70 Abs. 4 EStG ermöglicht die Aufhebung bzw. Änderung von Kindergeldfestsetzungen, die vor Beginn oder während eines Kalenderjahres als Prognoseentscheidung ergehen, auch dann, wenn sich lediglich die rechtliche Beurteilung des der Prognoseentscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalts geändert hat. Dies gilt umso mehr dann, wenn der Kindergeldberechtigte einen der Kindergeldfestsetzung beigefügten "Wichtigen Hinweis" nur dahingehend verstehen konnte, dass eine jederzeitige Änderung der ablehnenden Kindergeldfestsetzung vor einer abschließenden Beurteilung der Einkünfte und Bezüge des Kindes möglich ist
Normenkette
EStG § 70 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist die Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen bei der Prognose über die eigenen Einkünfte und Bezüge eines Kindes im laufenden Jahr der Kindergeldzahlung.
Der Kläger ist Vater des Kindes R, geb. am 22. Januar 1987. Er erhielt für das Kind fortlaufend Kindergeld. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2004 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers vom 14. Dezember 2004 für den Zeitraum von Februar bis Dezember 2005 ab, da die eigenen Einkünfte und Bezüge des dann über 18 Jahre alten Kindes den für diesen Zeitraum anteiligen Grenzbetrag von € 7.040 übersteigen würden. Am 12. April 2005 bat der Kläger unter Vorlage einer Bescheinigung über die Berufsausbildungsbeihilfe für das Kind um Neuberechnung des Kindergeldes. Mit Bescheid vom 18. April 2005 lehnte der Beklagte die Gewährung nach Neuberechnung abermals ab. Dem Bescheid war wie dem Bescheid vom 17. Dezember 2004 nach der Rechtsbehelfsbelehrung folgender "Wichtiger Hinweis" angefügt: "Falls nach Ablauf des Jahres feststeht, dass die Einkünfte und Bezüge ihres Kindes den Grenzbetrag nicht überschritten haben, können sie einen erneuten Antrag auf Festsetzung des Kindergeldes stellen". Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Auf erneuten Antrag des Klägers am 1. Mai 2005 nach Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen bei der Ermittlung des Grenzbetrages der eigenen Einkünfte und Bezüge eines Kindes gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 11. November 2005 Kindergeld rückwirkend ab dem Mai 2005.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 28. November 2005 wurde der Einspruch zurückgewiesen, da der Ablehnungsbescheid vom 18. April 2005 bestandskräftig geworden sei und daher Kindergeld auf den erneuten Antrag am 1. Mai 2005 erst ab diesem Monat gewährt werden könne.
Der Kläger trägt vor, auch in den Fällen, in denen das Kindergeld im Rahmen der Prognoseentscheidung zunächst wegen Überschreitung des Grenzbetrages abgelehnt worden und dann nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wegen des Abzugs der Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen der abschließenden Prüfung dieser Grenzbetrag unterschritten sei, würde entgegen der Ansicht der Beklagten die Änderungsmöglichkeit des § 70 Abs. 4 EStG eingreifen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Kindergeldbescheid vom 11. November 2005 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28. November 2005 dahin zu ändern, dass ihm Kindergeld für das Kind R ab dem Januar 2005 gewährt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, der bestandskräftig gewordene Ablehnungsbescheid vom 18. April 2005 würde Bindungswirkung bis Ende April 2005 entfalten, da der Kläger einen erneuten Antrag auf Gewährung von Kindergeld erst im Mai 2005 gestellt hätte. Eine Korrektur nach § 70 Abs. 4 EStG auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts sei grundsätzlich nicht möglich, weil eine Änderung der Rechtsauffassung durch die Rechtsprechung kein nachträgliches Bekanntwerden im Sinne der Vorschrift sei.
Mit Schriftsatz vom 18. September 2006 und mit Schriftsatz vom 25. September 2006 haben der Kläger und der Beklagte Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt und auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 79a Abs. 3, 4 FGO durch den Berichterstatter und gem. § 90a Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist begründet.
Dem Kläger war für seine Tochter R gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG ab dem Februar 2005 Kindergeld zu gewähren, da das Kind zwar nach Vollendung des 18. Lebensjahres, aber vor Vollendung des 27. Lebensjahres für einen Beruf ausgebildet wurde und keine eigenen Einkünfte und Bezüge von mehr als 7.040 € - anteilig für die Zeit von Februar bis Dezember 2005- hatte. Der Gewährung von Kindergeld stand dabei die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 18. April 2005 nicht entgegen, der der Beklagte diese negative Kindergeldfestsetzung im laufenden Jahr 2005 und somit vor Ablauf des Prognosezeitraums auf Grund d...