Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für Kind, das wegen länger andauernder Erkrankung seine begonnene Ausbildung nicht fortsetzen kann
Leitsatz (amtlich)
Kann das Kind aus Krankheitsgründen seine begonnene Ausbildung nicht fortsetzen, so ist es unschädlich, wenn das Ausbildungsverhältnis im Hinblick auf hohe monatlich zu leistende Schulgebühren gekündigt wird. Entscheidend ist allein, dass das Kind die Absicht hat, die Ausbildung fortzusetzen, sobald dies möglich ist und damit weiterhin ausbildungswillig ist.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nrn. 2 a, 2 c
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin für ihre Tochter trotz deren dauerhafter Erkrankung ein Anspruch auf Kindergeld zusteht.
In der Vergangenheit bezog die Klägerin für ihre am 26. Januar 1994 geborene Tochter D. H. Kindergeld. Vom März 2014 bis November 2016 sollte die Tochter eine erste Ausbildung bei einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Mode durchlaufen. Entsprechend beantragte die Klägerin am 4. März 2014 Kindergeld. Mit Bescheid vom 12. März 2014 wurde demgemäß Kindergeld bis November 2016 festgesetzt. Am 28. April 2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die Tochter zum 31. März 2015 ihre Ausbildung habe krankheitsbedingt abbrechen müssen. Die Klägerin legte hierzu eine Bestätigung des Ausbildungsbetriebs vom 10. Dezember 2014 vor, aus dem hervorgeht, dass das Ausbildungsverhältnis zum 31. März 2015 ende, sowie ein Attest einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 8. Dezember 2014, in dem diese ausführt, dass die Tochter aus Krankheitsgründen nicht am Schulbesuch teilnehmen könne und es derzeit nicht absehbar sei, wann die Wiederaufnahme des Schulbesuchs möglich werde.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2015 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes einer Krankenversicherung über die voraussichtliche Dauer der Erkrankung vorzulegen. Aus der Bescheinigung sollte auch erkennbar werden, dass die Ausbildung aufgrund Erkrankung unterbrochen worden sei. Das Kind solle erklären, dass es beabsichtige, die Ausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Beendigung der Erkrankung aufzunehmen oder fortzusetzen.
Nach Angaben der Klägerin ließ sie dieses Schreiben unbeantwortet, da zu dem Zeitpunkt keine ärztliche Diagnose vorhanden gewesen sei. Die ein erstes Beratungsgespräch führende Ärztin habe mangels Spezialisierung die Tochter nicht weiter behandeln können. Erfolglos absolvierte die Tochter vom 30. Juli 2015 bis 19. November 2015 eine ärztliche Behandlung bei einer Allgemeinmedizinerin. Ab dem 15. Dezember 2015 stand für die Tochter ein geeigneter Therapieplatz bei einer Diplom-Psychologin zur Verfügung.
Ab Juli 2015 stellte die Beklagte die Kindergeldzahlungen ohne Übersendung eines Aufhebungsbescheides ein.
Mit einem Schreiben vom 13. September 2016 beantragte die Klägerin Kindergeld rückwirkend seit dem 1. Juli 2015 unter Vorlage eines Attestes der (die Behandlung vom Juli 2015 bis November 2015 durchführenden) Ärztin. Darin teilte die Klägerin mit, dass ihre Tochter nunmehr einen Termin beim Amtsarzt wahrnehmen könne, die Beklagte solle mitteilen, ob dies nötig und in S möglich sei. Die Tochter werde sich nach ihrer Therapie bzw. der Genesung schnellstmöglich um ein Studium oder einen Ausbildungsplatz bemühen. Mit Schreiben vom 20. September 2016 bat die Beklagte wiederum um eine Übersendung eines amtsärztlichen Gutachtens oder eines medizinischen Dienstes sowie um eine Erklärung des Kindes, dass es seine Ausbildung fortzusetzen gedenke. Mit Bescheinigung vom 12. Oktober 2016 teilte die Amtsärztin der Kreisverwaltung mit, dass die Tochter sich am 12. Oktober 2016 zur amtsärztlichen Untersuchung vorgestellt habe. Ein aussagefähiger Befund der behandelnden Therapeuten habe vorgelegen und sei berücksichtigt worden. Bei der Tochter liege eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis mit notwendiger fachärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung vor. Aus amtsärztlicher Sicht sei nachvollziehbar, dass aus diesen gesundheitlichen Gründen die Ausbildung im November 2014 haben unterbrochen werden müssen und bis auf weiteres nicht fortgeführt werden könne. Wann die Ausbildung fortgesetzt werden könne, hänge vom Krankheits- und Therapieverlauf ab. Eine Nachuntersuchung in einem Jahr werde empfohlen.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2016, unterschrieben auch von der Tochter, teilte die Klägerin mit, dass das Kind voraussichtlich in 2017 eine Ausbildung oder Studium aufzunehmen bzw. fortzusetzen gedenke.
Mit Bescheid vom 7. November 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kindergeld ab dem Juli 2016 ab, da für die Entscheidung über den Kindergeldanspruch die notwendigen Unterlagen nicht eingereicht worden seien. Mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tag hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab dem Monat Dezember 2014 auf und forderte die Rückzahlung des ausgezahlten Kindergeldes für Dezember 2014 bis Juni 2015 in Höhe von 1.312 €, ...