Revision eingelegt (BFH X R 23/21) Revision zugelassen durch BFH Beschluss X B 65/21 vom 26. 10. 2021
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung der Erlöse in einem Gastronomiebetrieb. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: X R 23/21)
Leitsatz (amtlich)
Eine Schätzung auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung unter Berücksichtigung des untersten Werts der Bandbreite der Rohgewinnaufschlagsätze ist rechtmäßig, wenn hiergegen keine geeigneten Einwendungen erhoben werden.
Normenkette
AO § 162; FGO § 96 Abs. 1
Tatbestand
Die Streitsache befindet sich im 2. Rechtsgang.
Streitig sind die vom Beklagten nach einer Betriebsprüfung vorgenommenen Erhöhungen bei den Erlösen des Gewerbebetriebs des Klägers "X".
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (Steuernummer - seit Fusion der Finanzämter … und … - …). Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, und zwar aus seinem Betrieb "…." (Steuernummer …) und der Gaststätte "X" (Steuernummer…). Für beide Betriebe ermittelt er seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG. Des Weiteren erzielt er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin ist im …betrieb des Klägers angestellt.
Die Erstveranlagungsbescheide zur Einkommensteuer (für 2011 vom 10. September 2013, für 2012 vom 20. Juni 2014 und für 2013 vom 12. Februar 2015) wie auch die nachfolgenden Änderungsbescheide (für 2011 vom 4. Oktober 2013 und für 2012 vom 9. Juli 2014) ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 2 AO.
Für die Gaststätte wurde in der Zeit vom Mai 2015 bis Dezember 2015 (mit Unterbrechungen) eine Betriebsprüfung durchgeführt. In dem Bericht vom 15. Dezember 2015 (Blatt 6-23 der BP-Berichtsakte) wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Zur Ermittlung der baren Betriebseinnahmen sei eine EDV-Kasse mit der Typenbezeichnung YAKUMO/PC benutzt worden. Bei Übernahme der Gaststätte sei die Kasse vom vorherigen Betreiber übernommen und unverändert fortgeführt worden. Mit dem System seien keine Tagesendsummenbons gefertigt worden, die den steuerlichen Anforderungen entsprächen. Welche Möglichkeiten das Kassensystem biete, sei nicht bekannt. Die Programmieranleitung, die Bedienungsanleitung und Organisationsunterlagen seien nicht vorgelegt worden, weil sie - angeblich - vom bisherigen Betreiber nicht übergeben worden seien. Die mit diesem System erstellten Tagesabschlüsse enthielten keine fortlaufende Nummerierung, auch Stornobuchungen und die Zahlungsweise seien nicht ausgewiesen. Der Zeitpunkt des Abrufs (Uhrzeit) sei ebenfalls nicht angegeben. Damit sei die Vollständigkeit der erklärten Betriebseinnahmen nicht sichergestellt und die Kassenführung nicht ordnungsgemäß. In der Zeit vom 26. März 2012 bis 28. März 2012 sei es zu einem Kassenfehlbetrag in Höhe von 1.434,10 € gekommen. Inventuren zur Ermittlung des Warenbestandes zu den Bilanzstichtagen seien nicht durchgeführt worden. Aufgrund der festgestellten Mängel in der Kassenführung entsprächen die Aufzeichnungen und die Buchführung nicht den Vorschriften der §§ 140-148 AO und könnten nach § 158 AO nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Die vollständige Erfassung der Bareinnahmen sei systembedingt nicht mehr gewährleistet. Umsätze und Gewinn seien daher gemäß § 162 Abs. 2 in Verbindung mit § 158 AO im Schätzungswege zu ermitteln. Eine Ausbeutekalkulation sei im gegebenen Fall nicht zielführend. Bei Portionsgrößen und Personalverköstigung seien so große Unwägbarkeiten gegeben, dass eine betriebsinterne Kalkulation nicht möglich sei. Nach Maßgabe des Urteils des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. September 2012 (2 K 1153/12) erfolge eine Schätzung nach den Richtsätzen der amtlichen Richtsatzsammlung. Unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen Gegebenheiten (z.B. hochwertiger Wareneinkauf, hohe Abfallquote) werde hierbei als Rohaufschlagsatz der unterste Wert der Rohaufschlagsätze zu Grunde gelegt und von den sich so ergebenden Fehlbeträgen ein Sicherheitsabschlag von 30 % vorgenommen. Auch die Personalverköstigung sei damit hinreichend berücksichtigt.
Dies ergebe folgende Zuschätzungen:
|
2011 |
2012 |
2013 |
€ |
€ |
€ |
Wareneinsatz laut HB/StB |
218.376,00 |
229.268,00 |
257.386,00 |
x 286 % = wirtschaftl. Umsatz lt. BP |
624.555,36 |
655.706,48 |
736.123,96 |
wirtschaftl. Umsatz lt. Veranlagung |
- 507.108,76 |
- 574.320,00 |
- 620.671,73 |
Sicherheitsabschlag 30% |
35.233,98 |
24.415,94 |
34.635,67 |
Erhöhung Erlöse/Umsätze lt. BP |
82.212,62 |
56.970,54 |
80.816,56 |
Der Gewinn bzw. Verlust aus Gewerbebetrieb sei daher wie folgt zu korrigieren:
|
2011 |
2012 |
2013 |
Gewinn/Verlust lt. Erklärung/Veranlagung |
3.454,23 € |
198,01 € |
-5.957,05 € |
Zuschätzung Erlöse/Umsätze |
82.212,55 € |
56.970,45 € |
80.816,48 € |
Gewinn/Verlust lt. Betriebsprüfung |
85.666,78 € |
57.168,46 € |
74.859,43 € |
Die Buchhaltung wurde stichprobenartig überprüft und - bis auf die Kassenführung und die fehlende Inventur - nicht beanstandet (Blatt 16, 18, 19, 20 - 24 der AP-Handakte).
Mit Schreiben vom 14. September 2015 (Blatt 54ff. = 196-199 der AP-H...