Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur steuerlichen Berücksichtigung veruntreuter Instandhaltungsrücklagen beim Wohnungseigentümer
Leitsatz (amtlich)
Die Veruntreuung von Instandhaltungsrücklagen durch den Hausverwalter kann beim Wohnungseigentümer als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in dem Jahr berücksichtigt werden, in dem er erstmals von der Entreicherung Kenntnis erlangt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt Einzahlungen in eine Instandhaltungsrücklage bei einer späteren Veruntreuung der Gelder durch den Hausverwalter als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigungsfähig sind.
Die Kläger sind Ehegatten und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zweier Eigentumswohnungen in der C-Straße Hausnummer in L. Ausweislich einer von der "L Hausverwaltung" am 24. Oktober 2008 erstellten Jahresabrechnung für beide Wohnungen betrug die Instandhaltungsrücklage zzgl. Zinsen zum 31. Dezember 2007 für die Wohnung im 1. Obergeschoß 2.429,61 Euro und für die Wohnung im Erdgeschoß 9.049,27 Euro (Bl. 39 f. d. Einkommensteuerakte). Tatsächlich betrug die Summe der angelegten Festgelder ausweislich einer Schadensmitteilung des Polizeipräsidiums vom 26. März 2009 an die Wohnungseigentümergemeinschaft "C-Straße Hausnummer " "0 Euro" (Bl. 109 d. Einkommensteuerakte). Der Hausverwalter L hatte die eingezahlten Gelder ohne Wissen der Kläger veruntreut. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft wurde 2008 eingeleitet. Aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 7. Oktober 2010 ergibt sich insoweit folgender Geschehensablauf (Bl. 58 d. PrA.):
"Im Jahr 2008 hatte die Hausverwaltung L ihren Sitz in der K-Straße Hausnummer in L und betreute 72 Wohnungs- und Garageneigentümergemeinschaften (im folgenden: WEG). Mit den WEGs schloss der Angeklagte jeweils Verwalterverträge ab, in denen ihm die Befugnis eingeräumt wurde, Gelder der Gesellschaften zu verwalten. Insbesondere wurde auch vertraglich vereinbart, dass er Gelder auf Festgeldkonten anlegen konnte, über die er verfügungsberechtigt war.
Bereits 1988 oder 1989 begann der damals bereits in finanziellen Schwierigkeiten befindliche Angeklagte von Konten der von ihm betreuten WEGs Geldbeträge abzuheben oder auf seine Privatkonten sowie andere Konten zu überweisen, um die jeweiligen Gelder für eigene Zwecke zu verbrauchen und sich auf diese Weise eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen. Zur Verschleierung der Abhebungen und Überweisungen buchte er bei den WEGs fiktive Festgeldanlagen in entsprechender Höhe sowie einen ebenfalls fiktiven Zinsgewinn.
Wenn eine WEG für die Durchführung von Reparaturen oder Sanierungen Geld benötigte, ihr dieses aber wegen der Entnahmen des Angeklagten nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stand, veranlasste der Angeklagte eine Überweisung von einem Konto einer anderen WEG ohne deren Kenntnis auf das Konto der betreffenden WEG. Dabei hing es allein vom Zufall ab, ob die geschädigte WEG die Beträge durch spätere Buchungen wieder zurückerhielt, wobei ein eventueller Ausgleich allenfalls wiederum durch unrechtmäßige Buchungen zulasten anderer Gesellschaften, nicht aber mit Geldern des Angeklagten, der nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um seine früheren Entnahmen auszugleichen, zustande kam."
Ausweislich der weiteren Ausführungen im Urteil buchte Herr L in den Jahren 2005 und 2006 in mehreren Fällen Beträge in Höhe von 1.000 Euro bzw. 500 Euro vom Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft C-Straße Hausnummer auf das Konto anderer Wohnungseigentümergemeinschaften. Ausweislich des Urteils führte Herr L das Schneeballsystem bis zu seiner Entdeckung im Jahr 2008 fort. Die letzte Umbuchung, die allerdings nicht die Wohnungseigentümerschaft C-Straße in L betraf, erfolgte am 27. Oktober 2008 (Bl. 85 d. PrA.).
In rechtlicher Hinsicht führt das Urteil weiter aus:
"Bei den Umbuchungen von WEG-Konten auf andere WEG-Konten handelte der Angeklagte zwar, um seine vorangegangenen Geldentnahmen zu verschleiern, wobei bezüglich dieser ursprünglichen Entnahmen Verjährung eingetreten ist bzw. dies zugunsten des Angeklagten angenommen werden muss. Jedoch stellten die Buchungen keine eigentlich straflose mitbestrafte Nachtaten dar, deren Strafbarkeit nach Verjährung der Haupttaten wiederauflebt (....). Vielmehr verursachte jede Buchung bei der betroffenen WEG unmittelbar einen neuen selbständigen Vermögensschaden, wobei es vom Zufall abhing, ob der Schaden durch eine weitere- ebenfalls rechtswidrige - Umbuchung ausgeglichen werden würde und zudem vom Angeklagten von Anfang an keine Wiedergutmachung beabsichtigt war, zumal er noch bis zur Entdeckung seiner Taten auch Abhebungen von WEG-Konten zu eigenen Zwecken vornahm und dadurch den Schaden bis zum Schluss vergrößerte."
Das Landgericht verurteilte Herrn L wegen Untreue in 740 Fällen zu einer Gesamtfre...