rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnpfändung und Anordnung gemäß § 319 AO i.V.m. §§ 850 c Abs. 4, 850g ZPO
Leitsatz (amtlich)
Eine vollstreckungsrechtliche Anordnung, mit der im Rahmen einer Lohnpfändung gemäß § 319 AO i.V.m. §§ 850 c Abs. 4; 850g ZPO gegenüber dem Drittschuldner (Arbeitgeber) verfügt wird, dass eine dem Vollstrekkungsschuldner gegenüber unterhaltsberechtigte Person wegen eigener Einkünfte bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens teilweise unberücksichtigt bleibt, stellt gegenüber dem Vollstreckungsschuldner einen belastenden Verwaltungsakt dar.
Eine solche Anordnung oder ihre Änderung stellen Ermessensentscheidungen des FA als Vollstreckungsbehörde dar, die vom Vollstreckungsschuldner mit Einspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden können. Die Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850 c Abs. 4 ZPO erledigt sich nicht in sonstiger Weise gemäß § 124 Abs. 2 AO für die Vergangenheit, weil das Arbeitsverhältnis des Vollstreckungsschuldners mit dem Drittschuldner beendet wird.
Der für die Anordnung maßgebliche Sachverhalt und die für sie erheblichen Ermessenserwägungen müssen dem Vollstreckungsschuldner spätestens bis zur letzten Verwaltungsentscheidung in überprüfbarer Form mitgeteilt werden.
Das FA kann die Darstellung des Sachverhaltes und der maßgeblichen Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren nicht unter Berufung auf § 102 Satz 2 FGO nachholen.
Mit der Anfechtungsklage gegen die vollstreckungsrechtliche Anordnung kann nicht aus § 100 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 FGO auf Erstattung der zu viel eingezogenen Beträge geklagt werden. Über den Antrag ist zunächst durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO zu entscheiden
Normenkette
AO § 124 Abs. 2, § 218 Abs. 2 S. 2, § 319; ZPO § 850 Abs. 4, § 850g; FGO § 41 Abs. 2 S. 1, §§ 43, 100 Abs. 1 Sätze 2, 4
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer im Vollstreckungsverfahren gem. § 319 der Abgabenordnung -AO- i.V.m. § 850 c Abs. 4 der Zivilprozessordnung -ZPO- erlassenen Verfügung des Beklagten als Vollstreckungsbehörde.
Der Kläger schuldete dem Beklagten Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Kraftfahrzeugsteuer sowie steuerliche Nebenleistungen in Höhe von 45.736,00 DM. Zur Beitreibung der Rückstände pfändete der Beklagte mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 9. Oktober 1987 bei der Spedition K in W die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Klägers aus dem mit der Firma K bestehenden Arbeitsverhältnis. Wegen vorrangiger Ansprüche eines Abtretungsgläubigers wurde der Beklagte zunächst nicht bedient.
Nachdem der Drittschuldner dem Beklagten mitgeteilt hatte, dass er - nach bevorstehender Erledigung der vorrangigen Ansprüche - ab März 2000 mit Abführungen an ihn rechnen könne, kündigte der Beklagte am 6. Dezember 1999 gegenüber dem Drittschuldner an, er werde ihm im Hinblick auf die eigenen Einkünfte der Ehefrau des Klägers eine gesonderte Verfügung "über die Höhe des bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens von Herrn ... (dem Kläger, Anm. des Einsenders) zu berücksichtigenden unterhaltsberechtigten Ehefrau zukommen lassen“. Mit Verfügung vom 7. Dezember 1999 schränkte der Beklagte die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 9. Oktober 1987 gegenüber dem Drittschuldner auf einen Betrag von 27.530,76 DM ein und ordnete zugleich an, dass "für folgende Personen, denen der Vollstreckungsschuldner auf Grund gesetzlicher Pflicht Unterhalt gewährt, bei der Berechnung des unpfändbaren Teiles des Arbeiteinkommens nicht zu berücksichtigen sind (§ 850 c Abs. 4 ZPO): Name: Ehefrau D. T. Betrag: 50,00 DM. Die Tabelle zu § 850 c ZPO findet keine Anwendung“.
Mit weiterer Verfügung vom 15. November 2000 ordnete der Beklagte gegenüber dem Drittschuldner an, dass die Ehefrau des Klägers D. T., der der Vollstreckungsschuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeiteinkommens nicht zu berücksichtigen ist (§ 850 c Abs. 4 ZPO), und dass die Berechnung des pfändbaren Anteils in der Weise zu erfolgen hat, "dass der pfändbare Betrag gem. Tabelle zu § 850 c ZPO bei Unterhaltspflicht für 0 Personen um 21,46 DM vermindert wird“. Der Verfügung lag - wie sich aus dem Aktenvermerk des Beklagten (Bl. 190 der Vollstreckungsakten) ergibt - die Überlegung zu Grunde, dass der Ehefrau des Klägers unter Einbeziehung der an sie geleisteten Einkommensteuer-Erstattung für 1999 monatlich ein Betrag von 1.240,45 DM netto als Einkommen zur Verfügung stehe, wobei die "Pfändungsfreigrenze“ für eine Person 1.219,99 DM und die Differenz hierzu 21,46 DM betrage.
Nachdem die Überwachung der Abführung des Drittschuldners ergeben hatte, dass dieser bei der Berechnung des pfändbaren Betrages von einem Pfändungsbetrag für eine unterhaltsberechtigte Person ausgehe, führte der Drittschuldner - nach Erläuterung durch den Beklagten - ab Januar 2001 zutreffende Berechnungen durch und überwies ab Januar 2001 die korrekten Pfändungsbeträ...