Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehr- und Doppelzahlungen
Leitsatz (redaktionell)
Die von den Kunden eines Unternehmers für dessen Lieferungen irrtümlich entrichteten Mehr- und Doppelzahlungen rechnen ebenso wie die Zahlungen seiner nicht identifizierbarer Leistungsempfänger zum Entgelt im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 und 2 UStG.
Normenkette
UStG § 10 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Über- und Doppelzahlungen „Entgelt“ im Sinne des § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG darstellen.
Die klagende GmbH vertreibt im Inland ... Auftragsbestätigungen erteilt sie ihren Kunden nicht. Diese erhalten anlässlich der Anlieferung der klägerischen Waren einen Lieferschein und anschließend eine Rechnung über den von ihnen zu entrichtenden (Brutto-) Betrag. Anlässlich einer bei der Klägerin im Jahr 1998 für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung wurde u. a. festgestellt, dass sie erhaltene Doppel- und Überzahlungen von Kunden in Gesamtbruttobeträgen von 22.361,08 DM in 1994, 41.164,29 DM in 1995 und 16.179,49 DM in 1996 (bis 31. März 1996) nach Eintritt der zivilrechtlichen (Rückzahlungs-) Verjährung als Ertrag verbucht hatte. Die Zahlungen wurden weder bei Eingang noch bei der ertragsteuerlichen Ausbuchung der Umsatzsteuer zugeführt. Nach Angaben der Klägerin handelt es sich hierbei zum einen um über die entsprechenden Rechnungsbeträge hinausgehende, von Kunden irrtümlich gezahlte Mehrbeträge bzw. Doppelzahlungen. Die Klägerin hatte diese Beträge wegen der Rückforderungsansprüche der Kunden bzw. deren Verrechnungsmöglichkeit mit künftigen Lieferverbindlichkeiten zunächst passiviert und - nachdem mit der Geltendmachung dieser Ansprüche nicht mehr zu rechnen war - ertragserhöhend ausgebucht. Zum anderen soll es sich um Zahlungen von - mangels hinreichender Erkennungsdaten - nicht zu identifizierende Leistungsempfänger der Klägerin gehandelt haben bzw. hätten diese Zahlungen bestimmten Ausgangsrechnungen nicht zugeordnet werden können. Auch hierfür wurde Umsatzsteuer nicht abgeführt. Diese Zahlungen wurden bei der Klägerin einem Sammelkonto zugeführt.
Das Finanzamt gelangte zu der Auffassung, dass die vorgenannten Zahlungen der Leistungsempfänger - gekürzt um die darin enthaltene Umsatzsteuer - im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 13. Dezember 1995 XI R 16/95 (BFH/NV 1996, 151) Entgelt für erbrachte Lieferungen der Klägerin darstellen und setzte mit Bescheiden vom 21. Juni 1999 die Umsatzsteuer für die Streitjahre entsprechend anderweitig fest.
Mit ihrer hiergegen nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens (Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2000, Bl. 72 USt-Akte) erhobenen Klage bringt die Klägerin vor: Hinsichtlich der von den Kunden irrtümlich geleisteten Mehr- bzw. Doppelzahlungen fehle es an der für die Umsatzbesteuerung erforderlichen einvernehmlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Die Kunden hätten bei ihren Zahlungen nicht den objektiven Leistungswillen gehabt, für die an sie von der Klägerin erbrachten Lieferungen mehr aufzuwenden, als sie nach den entsprechenden Rechnungen schuldeten. Die Zahlungen seien irrtümlich erfolgt. Die Kunden hätten um Rückzahlung gebeten. Demgegenüber habe die Klägerin auf die Möglichkeit der Verrechnung mit zukünftigen Lieferungen verwiesen. Nachdem hiervon kein Gebrauch gemacht worden sei, habe die Klägerin nach Eintritt der Verjährung die zunächst passivierten Zahlungen ertragserhöhend verbucht. Die Außenprüfung habe versabsäumt, die Über- bzw. Doppelzahlungen bestimmten Lieferungen zuzurechnen. Das genannte BFH-Urteil sei auf den Streitfall nicht anzuwenden, da die Zahlungen hier nicht aufgrund einer Auftragsbestätigung, die die Klägerin nicht erteile, geleistet worden sei. Aus dem BFH-Urteil vom 31. August 1992 V R 47/88 (BStBl II 1992, 1046) ergebe sich vielmehr, dass im Falle zusätzlicher Aufwendungen „Entgelt“ nur dann vorliege, wenn die Vertragsparteien insoweit eine Einigung erzielt hätten. Das BFH-Urteil vom 13. Dezember 1995 gehe demgegenüber von einem zu weiten Entgeltsbegriff aus. Insoweit verstoße das deutsche Recht gegen Artikel 11 Teil A Abs. 1 a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern vom 17. Mai 1977 (Sechste RLEWG). Irrtümliche Doppelzahlungen könnten hiernach nicht der Umsatzbesteuerung unterliegen, da es an einer entsprechenden Leistung fehle.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2000 die geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen 1994, 1995 und 1996, alle vom 21. Juni 1999, dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 2.916,67 DM für 1994, 5.369,26 DM für 1995 und 2. 110,37 DM für 1996 herabgesetzt wird,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob irrtümliche Doppelzahlungen eines Leistungsempfängers in die Bemessungsgrundlage zur Umsatzbesteuerung einzubeziehen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung sind die Über- bzw. Doppelzahlungen im Hinblick auf vorausgega...