rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Umsatzbesteuerung von Doppel- und Überzahlungen der Kunden des Unternehmers. Umsatzsteuer 1994
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Doppel- bzw. Überzahlungen der Kunden des Unternehmers, der seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten besteuert, gehören zu dessen Entgelt i. S. des § 10 Abs. 1 S. 2 UStG für die von ihm an die Kunden erbrachten Lieferungen und Leistungen.
2. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gebietet aber, dass die Über- bzw. Doppelzahlungen erst in dem Voranmeldungszeitraum, in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG, der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen sind, in dem bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass die Kunden als Leistungsempfänger den ihnen nach § 812 Abs. 1 BGB zustehenden bereicherungsrechtlichen Anspruch nicht mehr geltend machen werden.
Normenkette
UStG 1993 § 10 Abs. 1 Sätze 2, 1, § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a; BGB § 812 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Über- bzw. Doppelzahlungen.
Die Klägerin handelt mit Nahrungs- und Genussmitteln. Sie ermittelt ihrem Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich und versteuert ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten.
Im 2. Halbjahr 1990 und im Jahr 1991 kam es zu Über- bzw. Doppelzahlungen von Kunden, die sich bis Ende des Jahres 1991 auf insgesamt 84.884,87 DM beliefen. Hiervon wurden im Jahr 1993 26.623,58 DM zurückgezahlt. Die Klägerin hatte die Zahlungen umsatzsteuerneutral als Verbindlichkeiten verbucht. Im Streitjahr 1994 buchte sie die noch bestehende Verbindlichkeit von 58.260,89 DM in voller Höhe erfolgswirksam aus.
Bei einer im Jahr 1997 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin diesen Sachverhalt ohne umsatzsteuerliche Auswirkungen belassen hatte. Der Prüfer meinte, die Klägerin habe auf der Grundlage von § 17 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) eine Korrektur der Versteuern vornehmen müssen; die Umsatzsteuer des Jahres 1994 sei um die aus dem Betrag von 58.260,89 DM herauszurechnende Umsatzsteuer zu erhöhen. Da die Zahlungen aus den Jahren 1990 bzw. 1991 stammten, sei hierbei von einem Steuersatz von 14 v.H. auszugehen, was eine Steuer von 7.155,00 DM ergebe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 12 des Betriebsprüfungsberichtes verwiesen.
In Auswertung der Prüfungsfeststellungen änderte der Beklagte mit Bescheid vom 09. Juni 2000 die bisher unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1994. Er setzte die Umsatzsteuer um 7.154,80 DM erhöht auf 100.073,00 DM fest.
Die Klägerin legte hiergegen am 07. Juli 2000 Einspruch ein. Tz. 12 des Prüfungsberichtes sei nicht nachvollziehbar; Kundenüberzahlungen könnten nicht zu einer Korrektur der Vorsteuern führen. Es handele sich um Doppelzahlungen, die nicht steuerbar seien, denn die Leistung der Klägerin sei bereits mit der ersten Zahlung beglichen worden. Die Überzahlungen seien ohne Umsatzsteuer als Verbindlichkeiten ein- und auch ausgebucht worden, so dass eine Vorsteuerkorrektur nicht gerechtfertigt sei.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18. November 2003 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 22. Dezember 2003 Klage erhoben. Sie hat zunächst die Auffassung vertreten, dass die Doppelzahlungen kein Entgelt für die von der Klägerin erbrachten Leistungen darstellen. Später hat sie ihre Rechtsauffassung dahingehend geändert, dass man wohl von Entgelt ausgehen müsse, die Umsatzsteuer hierfür jedoch im Jahr 1990 und nicht im Streitjahr entstanden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 09. Juni 2000 über Umsatzsteuer 1994 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 18. November 2003 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner bisherigen Auffassung fest.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Doppel- bzw. Überzahlungen der Kunden der Klägerin zum Entgelt i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die ihnen erbrachten Leistungen gehören.
Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Damit übereinstimmend ist nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (6. RLEWG) Besteuerungsgrundlage bei entgeltlichen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistende für diese Umsätze vom Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll. Besteuerungsgrundlage...