Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an die in einem zivilgerichtlichen Prozessvergleich übernommene Verpflichtung zur Zusammenveranlagung
Leitsatz (amtlich)
Die in einem zivilrechtlichen Prozessvergleich übernommene Verpflichtung eines Ehegatten zur Abgabe einer Zustimmungserklärung zur Zusammenveranlagung hat nicht die Wirkung eines (rechtskräftigen) Urteils, durch welches die Willenserklärung bereits als abgegeben gilt.
Die Ausübung des steuerlichen Wahlrechts zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung bleibt daher möglich, sofern sie nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt.
Für die erneute steuerrechtliche Wahl der getrennten Veranlagung durch den einen Ehegatten liegt ein sachlicher Grund vor, wenn die Zusammenveranlagung für ihn wirtschaftlich nachteilig ist und der andere Ehegatte ihn - entgegen der im Prozessvergleich ebenfalls erklärten Zusage - nicht von den steuerrechtlichen Nachteilen der Zusammenveranlagung freistellt.
Normenkette
EStG § 26 Abs. 1 S. 1, §§ 26a, 26b; AO § 44 Abs. 1, § 218 Abs. 2, §§ 270, 279; ZPO §§ 794, 887-888
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger seine Zustimmungserklärung zur gemeinsamen Veranlagung, die er aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung aus einem zivilgerichtlich protokollierten Vergleich abgegeben hat, wirksam widerrufen hat.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2002 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Elektroinstallateur. Seit August bzw. November 2002 lebte er von seiner (damaligen) Ehefrau, der Beigeladenen, dauernd getrennt. Aus der Ehe ging die im Jahre 1993 geborene Tochter J hervor. Die Ehe wurde zwischenzeitlich geschieden.
Seiner Einkommensteuererklärung vom 20. Oktober 2003 entsprechend wurde er für das Streitjahr durch Einkommensteuerbescheid vom 12. November 2003 zunächst nach § 26a EStG getrennt veranlagt. Dies führte zu einer Einkommensteuer-Rückerstattung in Höhe von 1.360,83 €.
Die Beigeladene beantragte in ihrer im Juli 2004 eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr die Zusammenveranlagung mit dem Kläger; auf dem von ihr eingereichten Mantelbogen hatte auch der Kläger unterschrieben. Für sie führte das beklagte Finanzamt jedoch ebenfalls eine getrennte Veranlagung durch. Nach dem Einkommensteuerbescheid vom 1. September 2004 hatte sie aufgrund ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Altenpflegerin noch einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.185,23 € zu zahlen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beigeladene Einspruch und verwies zur Begründung auf einen Vergleich. Diesen hatte sie als Klägerin jenes Verfahrens mit dem Kläger als Beklagtem in einem zivilgerichtlichen Rechtsstreit am 8. Juli 2004 vor dem Amtsgericht W geschlossen (AZ.: 1 C 81/04). Der Vergleich trifft u. a. folgende Regelungen:
„1.) Der Beklagte verpflichtet sich, für das Jahr 2002 die Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Parteien gegenüber dem zuständigen Finanzamt W zu erteilen.
Die Klägerin verpflichtet sich im Gegenzug dazu, den Beklagten von sämtlichen steuerrechtlichen Nachteilen, die ihm aus dieser Zustimmung erwachsen, freizustellen.
2.) ......“
Mit Bescheid vom 30. September 2004 hob das Finanzamt den gegenüber dem Kläger ergangenen Einzelbescheid vom 12. November 2003 auf, da er gemeinsam mit der Beigeladenen die Zusammenveranlagung beantragt habe. Der Kläger wurde zur Rückzahlung der ihm erstatteten Einkommensteuer in Höhe von 1.360,83 € aufgefordert. Zudem wurde eine Zusammenveranlagung angekündigt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21. Oktober 2004 wurden der Kläger und die Beigeladene zusammen veranlagt und die Einkommensteuer auf 1.578 € festgesetzt. Nach Verrechnung insbesondere mit den Lohnsteuerabzugsbeträgen in Höhe von insgesamt 1.648 € (Kläger: 1.297 €, Beigeladene: 351 €) und weiteren Beträgen (u.a. einbehaltenem Solidaritätszuschlag) ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 146,33 €.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 2. November 2004 Einspruch ein, den er damit begründete, dass die Beigeladene ihrer Verpflichtung aus dem zivilgerichtlichen Vergleich, ihn von sämtlichen steuerrechtlichen Nachteilen freizustellen, nicht nachgekommen sei und er deshalb seine „Unterschrift für die gemeinsame Steuererklärung für das Jahr 2002“ aufhebe.
Auf Nachfrage des Beklagten erklärte die Beigeladene zunächst, dass sie den vom Kläger aufgrund der Zusammenveranlagung zurückzuzahlenden Betrag in Höhe von 1.360,83 € begleichen werde; hinsichtlich dieses Betrages beantragte sie Ratenzahlung. Nachfolgend teilte sie dem Finanzamt hingegen mit, dass sie gegen den Freistellungsanspruch des Klägers mit einem eigenen Anspruch aufgrund rückständigen Unterhalts aufgerechnet habe. Zum Nachweis legte sie ein an den Kläger gerichtetes Aufrechnungsschreiben vor, nach welchem der Kläger seit der Trennung keinerlei Kindesunterhalt gezahlt habe, wodurch erhebliche Rückstände - nach ihrer Berechnung 5.934 € - aufgelaufen seien. Aufgrund dieser Forderung erkläre sie die Aufrechnung mit der Gegenforderung des Klä...