Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhält eine beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführerin für den Verzicht auf eine (Witwen-)Pension eine Kapitalabfindung, ist diese nur unter engen Voraussetzungen ermäßigt zu besteuern

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat der Steuerpflichtige an dem Einnahmeausfall selbst mitgewirkt, setzt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes des § 34 EStG auf eine hierfür gezahlte Entschädigung voraus, dass er dabei unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat.

Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, der im Zusammenhang mit der beabsichtigten Veräußerung seiner GmbH-Anteile auf einen Pensionsanspruch verzichtet, liegt nur ausnahmsweise eine solche Zwangslage vor.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 2 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.04.2003; Aktenzeichen XI R 32/02)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für eine der Klägerin in 1993 wegen des Verzichtes auf eine Witwenpension gezahlte Kapitalabfindung die Tarifbegünstigung nach §§ 24 Nr.1, 34 Abs.2 Nr.2 EStG zu gewähren ist.

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres am 30. August 1993 verstorbenen Ehemannes E. A.

Dieser war bis zu seinem Tod alleiniger Gesellschafter der ... E. A. GmbH (im folgenden: GmbH) und Inhaber eines das Anlagevermögen an die GmbH verpachtenden Einzelunternehmens (Betriebsaufspaltung). Die Geschäftsführung der GmbH für den Bereich Einkauf, Produktion und Vertrieb war ihm, für den Bereich Verwaltung der Klägerin übertragen. Für ihre Geschäftsführertätigkeit erhielt die Klägerin im Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 218.760.- DM (vgl. Lohnsteuerkarte Bl.13 ESt-Akte 1993).

Mit Vereinbarung vom 09.12.1993 (Bl.45 Prozessakte) verzichtete die Klägerin der GmbH gegenüber auf die ihr zustehenden Ansprüche aus einer dem verstorbenen Ehemann zugesagten Pension (monatliche Witwenpension) gegen Zahlung eines in der Höhe dem Barwert der Pensionsverpflichtung entsprechenden Abfindungsbetrages von 1.077.244.- DM.

Die GmbH verpflichtete mit Dienstvertrag vom 24.02.1994 ab dem 01.05.1994 einen weiteren, fremden Geschäftsführer.

Zum 31.07.1994 schied die Klägerin als Geschäftsführerin aus der GmbH aus und veräußerte ihre Gesellschaftsanteile an die I. T. GmbH.

Nachdem der Beklagte zunächst in dem an die Klägerin gerichteten Einkommensteuerbescheid vom 11. August 1997 antragsgemäß den Abfindungsbetrag als ermäßigt zu besteuernde Entschädigung behandelt hatte, gewährte er nach einer Außenprüfung in dem an die Eheleute E. und H. A. gerichteten Einkommensteuerbescheid vom 16. Dezember 1997 die Tarifermäßigung nicht mehr. Die Voraussetzungen hierfür nach den §§ 34 Abs.2, 24 Nr.1a EStG seien nicht gegeben; die Klägerin habe bei Aufgabe ihrer Rechte nicht unter erheblichem wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt. Soweit die nach dem Tod ihres Ehemannes alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin sich dazu entschlossen habe, ihre Anteile zu veräußern und in diesem Zusammenhang potentielle Käufer nicht bereit gewesen seien, die Pensionsverpflichtung zu übernehmen, habe sie in ihrer Sphäre freiwillig eine Ursachenkette in Gang gesetzt, auch wenn diese ihr ggfls. später keinen Entscheidungsspielraum mehr gelassen habe.

Den hiergegen am 16. Januar 1998 erhobenen Einspruch begründete die Klägerin damit, die von ihrem verstorbenen Ehemann hinterlassene Lücke in der GmbH sei derart immens gewesen, dass sie bereits sechs Wochen nach seinem Tod Kontakt mit Kaufinteressenten für die Geschäftsanteile aufgenommen und einen weiteren Geschäftsführer gesucht habe, um den Einbruch der Ertragslage nach dem Tod aufzuhalten. Das Unternehmen sei komplett auf ihren verstorbenen Ehemann zugeschnitten gewesen, sodass sie von einem auf den anderen Tag völlig allein auf sich gestellt gewesen sei, ohne darauf vertrauen zu können, dass eine andere Person zumindest für eine Übergangszeit den Unternehmensbetrieb in Gang halte. Der Verkauf der Geschäftsanteile sei keine freiwillige Entscheidung gewesen, da ein geeigneter Geschäftsführer zeitnah nicht gefunden werden konnte und die Ertragslage sich nach dem Tode verschlechtert habe. Der nach langer Suche im Mai 1994 berufene Geschäftsführer sei im November 1995 wegen Erfolglosigkeit abberufen worden. Die daher im Interesse des Unternehmens erfolgte Veräußerung ihrer Geschäftsanteile sei allerdings nur durch Aufgabe sämtlicher Versorgungsansprüche zustande gekommen. Auslöser der Ursachenkette sei mit dem Tod ihres Ehemannes ein - anders als die eigene Krankheit - nicht in ihrer Sphäre liegender Umstand gewesen, an dem sie nicht mitgewirkt habe. Da die GmbH unweigerlich auf den wirtschaftlichen Ruin zugegangen, aber als Versicherungsnehmerin Bezugsberechtigte für die abgeschlossene Rückdeckungsversicherung gewesen sei, sei die Veräußerung der Gesellschaftsanteile und der Verzicht auf die Witwenpension anders als ein Abwarten der Konkursreife die einzig sinnvolle Möglichkeit gewesen, denn mangels Abtretung hätte ihr im ...

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