Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht von Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen
Leitsatz (amtlich)
Die rückwirkende Gesetzesänderung, die die Besteuerung von Erstattungszinsen (§ 233a AO) als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG anordnet, ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3, § 52a Abs. 8 S. 2; AO § 233a
Tatbestand
Streitig ist die Steuerpflicht von Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen.
Der Kläger erzielte im Jahr 2007 Einkünfte aus selbständiger Arbeit, nichtselbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen sowie sonstige Einkünfte. Für das Streitjahr wurde er auf der Grundlage seiner Einkommensteuererklärung mit Bescheid vom 16.04.2009 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Der Einkommensteuerbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Bei der Festsetzung der Einkommensteuer berücksichtigte der Beklagte im Jahr 2007 gemäß § 233a AO erstattete Zinsen in Höhe von 47.792 € als Einnahmen aus Kapitalvermögen.
Diese Zinsen resultierten aus einer Einkommensteuererstattung für das Jahr 1998. Eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1997 bis 2000 kam zu dem Ergebnis, dass im Jahr 1998 die Übertragung von Geschäftsanteilen durch den Kläger auf die D Familienstiftung wegen fehlender Mitunternehmerschaft der Stiftung eine Entnahme darstellte, die zu einer Besteuerung der freigelegten stillen Reserven führte.
Die Sozietät der Klägervertreter betreute steuerlich die Gründung und Ausstattung der Stiftung mit den Geschäftsanteilen im Jahr 1998. Aufgrund der Prüfungsfeststellungen und der zu erwartenden Steuernachzahlung trafen der Kläger und die Sozietät am 07.09.2004 eine Vereinbarung, aufgrund der die Sozietät - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - die nach zu entrichtenden Steuern einschließlich Zinsen in Höhe von insgesamt 466.747,28 € an den Kläger bezahlte. Dieser beglich damit die mit geändertem Einkommensteuerbescheid 1998 vom 12.08.2004 nachzuzahlenden Steuern sowie die Nachzahlungszinsen in Höhe von 88.537 €. Ferner wurde zwischen dem Kläger und der Sozietät vereinbart, dass im Fall des tatsächlichen Nichteintretens eines Haftpflichtfalls der Kläger den Betrag an die Sozietät zurück zu zahlen hat. Ausweislich Ziffer 4 der Vereinbarung vom 07.09.2004 erhöht sich der Rückzahlungsbetrag um die eventuell nach der Abgabenordnung angefallenen gesetzlichen Zinsen, wenn die Finanzverwaltung diese auf die zurückzuzahlende Steuer schuldet. Zudem enthält die Vereinbarung unter Ziffer 5 eine Abtretungsvereinbarung, nach der der Kläger die nach gegebenenfalls erfolgreichem Abschluss des Rechtsmittelverfahrens entstehenden Erstattungsansprüche auf Rückzahlung der gezahlten Steuer, Zinsen, einschließlich der Erstattungszinsen nach der Abgabenordnung an die diese Abtretung annehmenden Gesellschafter der Sozietät abtritt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vereinbarung vom 07.09.2004 (Band X der ESt-Akten, Bl.47) verwiesen.
Im Jahr 2007 wurde hinsichtlich der vorgenannten Feststellungen der Betriebsprüfung zugunsten des Klägers entschieden. Der Beklagte änderte daher den Einkommensteuerbescheid 1998 und setzte zunächst mit Bescheid vom 21.03.2007 Erstattungszinsen in Höhe von 135.234 € sowie mit geändertem Bescheid vom 01.10.2007 weitere Erstattungszinsen von 1.095 €, mithin Erstattungszinsen von insgesamt 136.329 € fest. Die Steuererstattung einschließlich der Erstattungszinsen von insgesamt 511.606,44 € zahlte der Kläger sodann an die Sozietät zurück.
Der Beklagte setzte die mit den Nachzahlungszinsen von 88.537 € verrechneten Erstattungszinsen im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2007 als Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 47.792 € an.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Dieser richtet sich gegen die Besteuerung der Erstattungszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Zudem trug der Kläger vor, dass bei ihm aufgrund der wirksamen Vereinbarung mit der Sozietät vom 07.09.2004 zu keinem Zeitpunkt eine wirtschaftliche Begünstigung oder Benachteiligung durch die Zinsen vorgelegen habe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 28.06.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. In seiner Begründung verweist er auf die Änderung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes (JStG) 2010. Gemäß § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG n. F. sei diese Regelung in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Da der betroffene Bescheid nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sei, sei der Streitfall noch offen. Die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Sozietät sei zwar zivilrechtlich wirksam, steuerrechtlich habe sie jedoch keine Auswirkung, weil der Kläger als Steuerpflichtiger zugleich Schuldner und Gläubiger der Einkommensteuer sei. Es sei somit unerheblich, ob der Kläger überhaupt belastet oder begünstigt gewesen sei. Die reine Möglichkeit der Kapitalnutzung reiche bereits aus.
Der Beklagte...