Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Sozialleistungsträgers auf Abzweigung bzw. Erstattung von Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Anspruch des Sozialleistungsträgers, der in vollem Umfang für die Heimunterbringungskosten eines Kindes aufkommt, auf Abzweigung gem. § 74 Abs. 3 EStG, ist ausgeschlossen, wenn der Kindergeldberechtigte Naturalunterhaltsleistungen mindestens in Höhe des Kindergeldes erbringt. Dazu gehören auch Aufwendungen im Zusammenhang mit Wochenend- und Ferienaufenthalten des Kindes bei ihm.

2. Der Anspruch auf Erstattung hängt - da die Heimunterbringung aus der Sicht des Hilfeempfängers eine Sachleistung darstellt - davon ab, dass der Sozialleistungsträger berechtigt ist, vom Kindergeldberechtigten einen Kostenbeitrag zu erheben. Dabei genügt nicht die formelle Berechtigung aufgrund der Bestandskraft eines Kostenbeitragsbescheides; vielmehr muss die Erhebung des Kostenbeitrags materiell-rechtlich rechtmäßig sein.

 

Normenkette

EStG § 74 Abs. 1 Sätze 1, 4, Abs. 3; SGB X § 104 Abs. 1 Sätze 1, 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Kindergeld für ... an die Klägerin abzuzweigen ist.

Die Klägerin kommt als Sozialhilfeträger für die Unterbringungskosten des am ... 1984 geborenen ... auf. ... hat einen Grad der Behinderung von 100% und ist seit dem 11. September 1999 vollstationär in einem Heim untergebracht. Die Leistungen der Klägerin werden als Eingliederungshilfe gemäß § 43 Abs. 1 BSHG erbracht. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 24. August 1999 erhob die Klägerin von dem Vater des ... einen Kostenbeitrag ab September 1999 in Höhe der anteilig kinderbezogenen Leistungen von „derzeit“ 250 DM. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Zahlungen aufgrund dieses Bescheides wurden nicht geleistet. Die Klägerin teilt selbst mit, dass ein Kostenbeitrag nicht erhoben werden kann, da die Eltern sonst unter dem Sozialhilfesatz liegen.

Am 27. März 2000 beantragte die Klägerin, das Kindergeld für ... an sie abzuzweigen bzw. zu erstatten. Mit Bescheid vom 27. November 2000 entsprach die beklagte Familienkasse diesem Antrag. Dagegen legte die Kindergeldberechtigte und Beigeladene fristgerecht Einspruch ein; dem Einspruch wurde abgeholfen. Der vorsorglich von der Klägerin mit der Bitte, das Verfahren wegen anhängiger Revisionsverfahren beim BFH - ohne diese zu bezeichnen - ruhen zu lassen, eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 26. März 2001 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klägerin erhob zur Fristwahrung Klage mit der Bitte, das Verfahren bis zum Ergehen einer Grundsatzentscheidung des BFH ruhen zu lassen; sie bezeichnete jedoch kein anhängiges Verfahren.

Zur Begründung der Klage trägt sie weiter vor, es sei von der Rechtmäßigkeit des Kostenfestsetzungsbescheides auszugehen, da er bestandskräftig geworden sei. Nichtigkeitsgründe seien nicht erkennbar. Deshalb komme es auf die Frage, ob der Bescheid fehlerhaft sei, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern einen Kosenbeitrag nicht zuließen, nicht an.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Februar 2001 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 26. März 2001 die Beklagte zu verpflichten, das Kindergeld für ... ab September 1999 an sie abzuzweigen bzw. zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest und verweist auf ihre Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Ergänzend trägt sie vor, die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 EStG für die Abzweigung lägen nicht vor, da die Beigeladene durch die 14-tägigen Wochenend- und Ferienaufenthalte von ... bei den Eltern in nicht unwesentlicher Höhe Sach- und Betreuungsleistungen erbracht hätten.

Ein Erstattungsanspruch gemäß § 74 Abs. 3 EStG in Verbindung mit § 104 SGB X bestehe ebenfalls nicht. Es fehle an den Voraussetzungen der Gleichartigkeit und Nachrangigkeit. Die Beklagte habe der Beigeladenen das Kindergeld als Geldleistung zu erbringen. Die Beigeladene erbringe gegenüber dem Kind aber keine Geld-, sondern Sachleistungen (Urteil des BSG vom 8. April 1992 - 10 RKg 31/90). Für den Erstattungsanspruch komme deshalb nur § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X in Betracht. Dieser setze die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag voraus. Der Kostenbescheid vom 24. August 1999 sei jedoch eindeutig fehlerhaft, da die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern einen berechtigten Kostenbeitrag nicht zuließen. Die Familienkasse sei an einen fehlerhaften Kostenbescheid nicht gebunden. Damit scheide die Erstattung nach § 74 Abs. 3 EStG aus.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie trägt vor, neben den Kosten für die Wochenend- und Ferienaufenthalte von ... fielen weitere Kosten an für Bekleidung, die sie trage. So müssten jeweils für den Sommer und den Winter Jacken, Hosen, Pullis, Wäsche und Schuhe gekauft werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat weder einen Anspruch gemäß § 74 Abs. 1 EStG au Abzweigung des Kindergeldes, noch einen Anspruch auf Erstattung gemäß § 74 Abs. 3 EStG. Die Ansprü...

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