Leitsatz
1. Die Zuteilung einer SLOM-Referenzmenge ist nicht flächen-, sondern betriebsgebunden.
2. Für die wieder aufgenommene Milchproduktion genutzte Produktionseinheiten können ohne Freisetzung der Referenzmenge auch innerhalb der Frist, während welcher der SLOM-Betrieb nicht ohne Verlust der Referenzmenge verkauft oder verpachtet werden könnte, aufgegeben werden, sofern dies zu dem Zweck geschieht, die Milchproduktion mit Hilfe anderer Futterflächen weiterzubetreiben. Voraussetzung ist, dass die ggf. neu hinzugepachteten Betriebsflächen in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Aufgabe der bisher genutzten in den Milchbetrieb eingegliedert werden.
Normenkette
§ 6a MGV , § 7 Abs. 3, 3b und 4 MGV , § 9 Abs. 2 MGV
Sachverhalt
Ein Milchbauer hatte nach Wiederaufnahme seiner Milchproduktion, die ihm durch die SLOM-II-Regelung ermöglicht worden war, von seiner Molkerei endgültig eine Anlieferungsreferenzmenge Milch erhalten. Dafür hatte er nachweisen müssen und hatte er auch nachgewiesen, dass er während zweier Jahre in bestimmtem Umfang wieder Milch produziert hat. Da der Betrieb jedoch damals nicht über die erforderlichen Futterflächen verfügte, um die (zunächst vorläufig zugeteilte) Anlieferungs-Referenzmenge beliefern zu können, hatte der Landwirt Land und Ställe hinzugepachtet. Der Pachtvertrag wurde indes alsbald vorzeitig aufgelöst, sobald die vorgenannte Lieferverpflichtung erfüllt war.
Das HZA setzte daraufhin die Referenzmenge frei, weil die Rückgabe der Pachtflächen einer Verpachtung des Milcherzeugungsbetriebs i.S.d. EWGV Nr. 857/84 gleichstehe, dessen Folge die Freisetzung der Referenzmenge sei.
Entscheidung
Der BFH sah das Verhalten des Milchbauern nur dann als für seine SLOM-Referenzmenge schädlich an, wenn es zur Aufgabe der Milchproduktion führt, hingegen als unschädlich, wenn die Milchproduktion mit anderen (eigenen oder neu hinzugepachteten) Flächen fortgesetzt werden kann. Der BFH hält die Rückgabe von Futterflächen, die zur Wiederaufnahme der Milchproduktion nach der SLOM-Regelung hinzugepachtet worden sind, nicht für einen Grund, der zwangsläufig zur Freisetzung der SLOM-Referenzmenge führt, sofern der Milcherzeuger sich durch die Flächenrückgabe nicht außer Stand setzt, weiterhin die bisherigen Milchmengen zu erzeugen. Der Ersatz der bisherigen (Pacht-)Flächen durch andere (eigene oder erneut hinzugepachtete) müsse allerdings in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Rückgabe der Pachtflächen erfolgen. Das FG müsse klären, ob dies im Streitfall geschehen sei.
Der EuGH musste vom BFH (noch) nicht nach Art. 234 EG angerufen werden. Denn zunächst war zu klären, ob sich die vorgenannte Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts überhaupt im Streitfall stellt. Der BFH hat mit Recht der Klärung des Sachverhalts Vorrang vor der Beantwortung von Rechtsfragen durch den EuGH eingeräumt.
Hinweis
Wer in der EG Milch produziert und an eine Molkerei verkauft oder direkt an Endabnehmer liefert, muss sich dafür eine Produktionsquote ("Referenzmenge") verschaffen, deren materielle Zuteilungskriterien im Gemeinschaftsrecht, der sog. Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (EGVO Nr. 1255/1999, ABl.EG 1999 Nr. L 160, 48) geregelt sind. Anderenfalls bzw. bei Überschreitung der ihm zugeteilten Milchproduktionsquote (die unterscheidet zwischen einer Anlieferungsreferenzmenge und einer Direktverkaufsreferenzmenge) werden prohibitive Abgaben auf die Mehr-Milch erhoben.
Dieses Quoten-Regime bezweckte ursprünglich – vereinfacht gesagt – ein Stand-Still der Milchproduktionsmenge in der Gemeinschaft. Dementsprechend knüpfte die Zuteilung der Referenzmengen an die Milchbauern daran an, wieviel Milch sie bei In-Kraft-Treten des Regimes, nämlich im sog. Referenzjahr (in Deutschland: 1983/84) erzeugt hatten.
Die Gemeinschaft hatte bekanntlich schon zuvor die (explodierende) Milchproduktion (Stichwort: "Butterberg") dadurch (mit wenig Erfolg) zu drosseln versucht, dass sie den Milchbauern anbot, eine (zeitlich begrenzte) Nichtvermarktungsverpflichtung (gegen entsprechende finanzielle Vorteile) einzugehen. Bauern, die darauf eingegangen waren, hatten folglich im Referenzjahr keine Milch produziert und dementsprechend auch keine Produktionsquote für zukünftige abgabenfreie Milchverkäufe erhalten.
Dieses Ergebnis hat der EuGH unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für nicht hinnehmbar erklärt. Die Gemeinschaft hat deshalb Regelungen erlassen, mit deren Hilfe den ehemaligen Nichtvermarktern nachträglich doch noch Referenzmengen zugeteilt wurden (sog. SLOM-Regelung). Diese Regelungen mussten auf Geheiß des EuGH zweimal wesentlich "nachgebessert" werden (SLOM II, SLOM III).
Selbstverständlich hat der gemeinschaftliche Verordnungsgeber die EuGH-Rechtsprechung restriktiv umzusetzen versucht. Er hat insbesondere zu verhindern versucht, dass die Wiederaufnahme der Milchproduktion, die er aus Gründen des Vertrauensschutzes zulassen musste, allein deshalb erfolgt, um die Referenzmenge (durch Verk...