Leitsatz
Hat eine Anteilsübertragung die Vereinigung von mehr als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft zur Folge, ist eine Grunderwerbsteuerfestsetzung gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG aufzuheben, wenn das Rechtsgeschäft teilweise rückgängig gemacht wird und dadurch die Beteiligungsschwelle von 95 % unterschritten wird. Eine vollständige Rückabwicklung des ursprünglichen Rechtsgeschäfts ist hierfür nicht erforderlich.
Sachverhalt
Neben zwei weiteren Gesellschaftern war die Klägerin ursprünglich zu 64,8 % an einer grundbesitzenden GmbH beteiligt. Im Jahr 2008 erwarb sie Anteile von ihren Mitgesellschaftern und stockte dadurch ihre Beteiligung auf insgesamt 95 % auf. Das Finanzamt unterwarf die Anteilsübertragung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Gegen den Steuerbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass der Kaufvertrag angefochten wurde und daher nichtig sei. Durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages wurde die Beteiligung der Klägerin auf 94,9 % vermindert und dadurch ein begünstigter Rückerwerb gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG begründet. Das BFH, Urteil v. 18.4.2012, II R 51/11 zur Zulässigkeit einer teilweisen Rückgängigmachung eines gem. § 1 Abs. 2a GrEStG steuerschädlichen Gesellschafterwechsels bei Personengesellschaften sei auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Die Finanzverwaltung lehnte eine entsprechende Anwendung der Entscheidungsgrundsätze ab. Hiergegen richtet sich die Klage.
Entscheidung
Das Gericht folgte dem Steuerpflichtigen und gab der Klage statt. Nach Auffassung des FG war die Festsetzung der Steuer für den Erwerbsvorgang gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG aufzuheben. Durch den Aufhebungsvertrag verminderte sich die Beteiligung der Klägerin auf 94,9 %. Die Voraussetzung einer vollständigen Rückgängigmachung der Anteilsübertragung für die Gewährung der Aufhebung der Steuerfestsetzung lehnte das Gericht ab. Nach seiner Auffassung seien die Entscheidungsgrundsätze des BFH, Urteil v. 18.4.2012, II R 51/11 zur teilweisen Rückabwicklung eines Gesellschafterwechsels gem. § 1 Abs. 2a GrEStG übertragbar. Eine vollumfängliche Rückabwicklung der Anteilsübertragung sah es somit nicht als erforderlich an.
Hinweis
Die Finanzverwaltung erhob gegen die Entscheidung Revision (Az beim BFH II R 52/12). Es bleibt abzuwarten, ob der BFH seine Rechtsprechungsgrundsätze zur teilweisen Rückabwicklung eines Gesellschafterwechsels bei Personengesellschaften auch auf die teilweise Rückgängigmachung von Anteilsvereinigungen bei Kapitalgesellschaften übertragen wird. In vergleichbaren Fällen sollte aber gegen Grunderwerbsteuerbescheide mit Hinweis auf das anhängige Verfahren Einspruch eingelegt und der Sachverhalt damit offen gehalten werden.
Link zur Entscheidung
FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.09.2012, 3 K 362/10