Rechtsprechung im Blick behalten – Zivilgerichte und Finanzgerichte
Nach einem Beschluss des Amtsgerichts Waiblingen vom 10.11.2003, 14 C 1737/03, steht dem Rechnungsempfänger ein Zurückbehaltungsrecht zu, wenn der Rechnungsaussteller gegen die Verpflichtung zur Angabe der Steuernummer bzw. der Umsatzsteueridentifikationsnummer verstößt, und die Gefahr besteht, dass der Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers dadurch gefährdet ist. Die Rechnung braucht dann nur in Höhe des Nettobetrags beglichen werden. Es wird die Auffassung vertreten, dass eine solche Rechnung überhaupt nicht fällig ist aufgrund der strengen steuerrechtlichen Vorschrift des § 14 ff UStG.
Der Beschluss des LG Hamburg vom 26.4.2006, 409 O 78/05, geht von folgendem Sachverhalt aus: Der Kunde machte einen Schadenersatzanspruch mit der Begründung geltend, die Rechnung des Lieferanten entspräche nicht § 14 UStG; der Kunde hatte dem Lieferanten die Rechnung bezahlt inkl. Umsatzsteuer; das Finanzamt des Kunden hatte aber den Vorsteuerabzug nicht gewährt. Nach Auffassung des Gerichts stellt die zunächst fehlende Steuernummer nicht nur einen Verstoß gegen steuerrechtliche Vorschriften dar, sondern enthält zugleich einen Verstoß gegen Vertragspflichten des Unternehmers. Denn dieser muss die Rechnung in einer Weise ausstellen, die den Kunden in die Lage versetzt, die bezahlte Umsatzsteuer in den Rechnungsbeträgen mit der eigenen Umsatzsteuerschuld zu verrechnen, also den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Wegen dieses Vertragsverstoßes hat der Kunde eigentlich ein Zurückbehaltungsrecht gehabt, wenn er dennoch die Rechnung bezahlt und sodann einen Schaden erleidet, schuldet der Rechnungssteller Ersatz.
Steuerrechtliche Vorfragen sind von den Zivilgerichten selbstständig zu beantworten. Eine Bindung an Steuerbescheide oder unmissverständliche Rechtsauffassungen der Finanzbehörden besteht nicht.
Zu den Anforderungen zur Leistungsbeschreibung und zum Leistungszeitpunkt für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung s. BFH, Urteil v. 15.10.2019, V R 29/19, BFH/NV 2020, 281 und BFH, Urteil v. 1.3.2018, V R 18/17, BFH/NV 2018 S. 916.
Nach § 14 Abs. 2 UStG ist eine Rechnung innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung auszustellen, sofern eine Verpflichtung zur Rechnungsausstellung besteht. Führt der Unternehmer eine innergemeinschaftliche Lieferung i. S. des § 6a UStG aus, ist er verpflichtet, spätestens am 15. Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Lieferung ausgeführt worden ist, eine Rechnung auszustellen (§ 14a Abs. 3 UStG). Die gleiche Frist gilt, wenn der Unternehmer eine sonstige Leistung i. S. des § 3a Abs. 2 UStG in einem anderen Mitgliedstaat ausführt, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 14a Abs. 1 Satz 2 UStG). Zum zivilrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer ordnungsgemäßen Rechnung vgl. Abschn. § 14.1 Abs. 1 und Abs. 5 UStAE.
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen, während der unternehmerische Leistungsempfänger den entsprechenden Vorsteuerabzug ändern muss.
Zur Identifizierung einer abgerechneten Leistung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG) können andere Geschäftsunterlagen herangezogen werden, wenn das Abrechnungsdokument selbst darauf verweist und diese eindeutig bezeichnet.
Lt. FG Münster hindern die bemängelte Leistungsbeschreibung und die gänzlich fehlende Angabe einer Rechnungsnummer den sicheren Nachweis der für den Vorsteuerabzug erforderlichen Voraussetzungen nicht, wenn alle vom Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellten Informationen keinerlei Zweifel daran lassen, dass er die, die in den Rechnungen ausgewiesenen Leistungen für Zwecke des Unternehmens bezogen hat und es sich bei den ausgewiesenen Steuerbeträgen um eine gesetzlich geschuldete Steuer handelt.