Leitsatz
Zuschläge für Wechselschichtarbeit, die der Arbeitnehmer für seine Wechselschichttätigkeit regelmäßig und fortlaufend bezieht, sind dem steuerpflichtigen Grundlohn zugehörig; sie sind auch während der durch § 3b EStG begünstigten Nachtzeit nicht steuerbefreit.
Normenkette
§ 3b EStG
Sachverhalt
Das klagende Energieversorgungsunternehmen gewährte ihren im Schichtdienst tätigen Arbeitnehmern (Wechselschichtarbeiter) u.a. Zuschläge für deren Wechselschichttätigkeit und für Nachtarbeit. Nach den bis 1991 geltenden vertraglichen Vereinbarungen gewährte es für Wechselschichtarbeit (Früh- und Spätschichten von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr) Zuschläge i.H.v. 10 % und für Nachtarbeit (von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) solche i.H.v. 25 % der Stundenvergütung. Ab dem Streitjahr 1992 zahlte das Unternehmen Zuschläge nach Maßgabe des Manteltarifvertrags Energie – MTV-E – (Zuschläge an Wechselschichtarbeiter für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr i.H.v. 10 % der Stundenvergütung; für Nachtarbeit in der Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr i.H.v. 10 %, für solche in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 25 % der Stundenvergütung). Bis einschließlich 1993 zahlte es – wenn mehrere Zuschlagstatbestände erfüllt waren – die Zuschläge nebeneinander und versteuerte sie, soweit sie die Grenzen des § 3b EStG überstiegen. Ab dem Streitjahr 1994 zahlte sie bei den streitigen Zuschlägen für Nacht- und Wechselschichtarbeit nur den jeweils höheren Zuschlag. Die Zuschläge für die Nachtarbeit behandelte sie als steuerfrei, während sie die Zuschläge für die Wechselschichttätigkeit versteuerte.
Aufgrund einer Lohnsteuer-Außenprüfung nahm das FA die Klägerin für nicht abgeführte Lohn- und Nebensteuern in Haftung. Die Wechselschichtzuschläge seien dem Grundlohn zuzurechnen, da sie jedem Wechselschichtarbeiter für dessen Arbeit gewährt wurden. Folglich sei auch in dem 25 %igen Zuschlag für Nachtarbeit ein 10 %iger Wechselschichtzuschlag enthalten, für den eine Steuerbefreiung nach § 3b EStG nicht zu gewähren sei.
Die daraufhin erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision des FA.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Sache wegen der nachzuholenden Feststellungen zur regelmäßigen Arbeitszeit der Wechselschichtarbeiter, zur Höhe des laufenden Arbeitslohns und zur Höhe der Zuschläge zurückverwiesen. Fließe der 10 %ige Wechselschichtzuschlag den in Wechselschicht tätigen Arbeitnehmern regelmäßig und fortlaufend zu, sei er als laufender Arbeitslohn dem Grundlohn zuzurechnen. Dann wäre auch der Nachtschichtzuschlag für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr nur i.H.v. 15 % der Stundenvergütung steuerfrei. Denn i.H.d. 10 %igen Differenzbetrags handle es sich um einen fortgezahlten Wechselschichtzuschlag.
In diesem Fall wäre auch der ab dem Jahr 1992 im Zeitraum von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr gewährte Zuschlag steuerpflichtig, da er in dieser Zeit – unbesehen seiner anders lautenden tarifvertraglichen Bezeichnung – als alleiniger und fortgeführter Wechselschichtzuschlag zu werten sei.
Hinweis
Zuschläge für Lohnzahlungen, die für Nachtarbeit gewährt werden, sind – unter weiteren Voraussetzungen – nach Maßgabe des § 3b Abs. 1 EStG nur steuerfrei, wenn sie dem Arbeitnehmer neben dem Grundlohn gezahlt werden.
1. Danach kommt es entscheidend auf die Frage an, ob und ggf. in welchem Umfang der Grundlohn (= laufender Arbeitslohn für die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit i.S.d. § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG) auch Wechsel- und Nachtschichtzuschläge mit umfasst. Regelmäßige Arbeitszeit ist dabei die jeweils vereinbarte Normalarbeitszeit (vgl. Abschn. 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 3 LStR 1990, 1993), d.h. die vereinbarte Dauer der Arbeitsleistung (vgl. Moritz in HHR, § 3b EStG Anm. 33). Sie wird als Normalarbeitszeit auch von in Schicht- und Wechselschichtdienst tätigen Arbeitnehmern erfüllt, wenn sie sich nach einem Schichtplan (Dienstplan) mit vorgesehenem regelmäßigem Wechsel der täglichen Arbeitszeit bestimmt (vgl. BAG, Urteil vom 14.12.1993, 10 AZR 368/93, BAGE 75, 208, NZA 1994, 804).
2. Der Grundlohn ist des Weiteren in Bezug auf den einzelnen Arbeitnehmer gesondert zu ermitteln, kann mithin nicht pauschal aus der Gesamtzahl der Arbeitnehmer errechnet oder unter Ansatz der der "üblichen Arbeitszeit anderer Arbeitnehmer" zugrunde gelegt werden.
3. Zuschläge für Nachtarbeit sind nur begünstigt, soweit sie bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen (§ 3b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 EStG). Damit wirkt eine Erhöhung oder Verringerung des Grundlohns unmittelbar auf die Höhe der möglichen steuerfreien Zuschläge zurück.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.7.2005, IX R 81/98