Leitsatz

Das BMF wird nach § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO aufgefordert, dem Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG Köln vom 16. Dezember 1999 2 K 8306/98 beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Kläger durch die Begrenzung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben auf 10 000 DM im Jahr 1990 und auf 7 830 DM im Jahr 1997 in ihren Grundrechten verletzt werden.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 3 EStG

 

Sachverhalt

Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute und haben zwei 1981 und 1984 geborene Kinder. Der Ehemann erzielt als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die Ehefrau ist Beamtin.

Im Streitjahr 1990 betrugen die Beiträge der Kläger für Kranken- und Pflegeversicherung, Lebens-, Unfall- und Haftpflichtversicherung insgesamt 19414 DM, daneben erbrachten sie Bausparbeiträge von 16399 DM. Im Streitjahr 1997 leisteten die Kläger allein an Versicherungsbeiträgen 37265 DM. Das FA ließ für die Vorsorgeaufwendungen folgenden Sonderausgabenabzug zu:

1990

Vorwegabzug 2 980 DM

Grundhöchstbetrag 4 680 DM

Hälftiger Höchstbetrag 2 340 DM

Insgesamt 10 000 DM

1997

Vorwegabzug 0 DM

Grundhöchstbetrag 5 220 DM

Hälftiger Höchstbetrag 2 610 DM

Insgesamt 7 830 DM

Das FG wies die Klage ab. Im Revisionsverfahren fordert nun der BFH den BMF zum Verfahrensbeitritt auf.

 

Entscheidung

Zur Klärung der Frage, ob § 10 Abs. 3 EStG mit dem GG vereinbar ist, bittet der BFH den BMF um Stellungnahme zu folgenden Fragen:

1. Mindestvorsorge

a) Inwieweit handelt es sich bei den von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen um solche, die für eine Mindestvorsorge, insbesondere eine Existenzsicherung in der Zukunft, zwangsläufig sind und daher die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kläger vermindern? Welche Beiträge sind für eine realitätsgerechte Mindestvorsorge der Familie des Klägers (zwei Kinder) anzusetzen?

b) Wie lässt sich die Begrenzung des im Veranlagungsverfahren vorgenommenen Abzugs der Vorsorgeaufwendungen rechtfertigen, insbesondere im Hinblick darauf, dass allein die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Jahr 1997 um rd. 3000 DM über dem Gesamtbetrag des betreffenden Sonderausgabenabzugs lagen?

c) Sind seitens des selbstständigen Klägers – im Vergleich zu Arbeitnehmern – geringere Aufwendungen für eine Alterssicherung notwendig, weil er später im Fall eines Ausscheidens aus der Anwaltssozietät einen Erlös realisieren kann? Gibt es Erfahrungswerte, die typisierend angesetzt werden können?

d) Können die Kläger darauf verwiesen werden, dass ihnen im Fall einer getrennten Veranlagung wegen einer dann geringeren Kürzung des Vorwegabzugs höhere und ausreichende Sonderausgabenabzugsbeträge zur Verfügung stehen würden?

e) Reicht es für die Berücksichtigung eines Mindestbedarfs aus, wenn dieser nur zur Hälfte zum Abzug kommt und damit zum Teil steuerlich belastet bleibt?

2. Gleichbehandlung

a) Wie ist es zu rechtfertigen, dass die Vorwegabzugsbeträge seit 1990 bis heute nur einmal – in 1993 – um 2000 DM (Ehegatten 4000 DM) erhöht wurden, während sich die maximalen Arbeitgeberbeiträge im gleichen Zeitraum jährlich erhöhten von bis zu 12 238 DM in 1990 auf bis zu 16 795 DM in 1997?

b) Hat der Kläger vor dem Hintergrund der Unterschiede der Sicherungssysteme als Selbstständiger mit höherem Einkommen für eine angemessene Zukunftsvorsorge geringere Aufwendungen zu tätigen als Arbeitnehmer mit gleich hohem Einkommen für eine gleichwertige Vorsorge?

c) Wie ist es zu rechtfertigen, dass dem Vorsorgebedürfnis des Klägers (einschl. zwei Kinder) nur mit einem Vorwegabzug von 2980 DM bzw. 0 DM Rechnung getragen wird im Vergleich zu Arbeitnehmern, bei denen der steuerfreie Arbeitgeberbeitrag in 1997 bis zu 18 795 DM betragen hat?

d) In wie vielen Fällen hat in den Streitjahren bei Arbeitnehmern der Arbeitgeberanteil den Kürzungsbetrag beim Vorwegabzug überschritten und wie hoch war die verbleibende Vergünstigung für Bezieher durchschnittlicher Arbeitseinkommen?

e) Wie ist es zu rechtfertigen, dass bei einem Ehepaar, bei dem der eine Ehepartner nichtselbstständig und der andere selbstständig tätig ist, der gemeinsame, verdoppelte Vorwegabzug, mit dem speziell die Belange der Selbstständigen gewahrt werden sollen, bereits bei einem etwa durchschnittlichen Arbeitslohn eines Ehepartners vollständig aufgezehrt wird?

 

Hinweis

Der Sache nach geht es um die Höchstbetragsregelung beim Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 3 EStG – hier um die spezielle Frage, ob die Regelung der Kürzung des Vorwegabzugs verfassungswidrig ist, wenn sie bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten zum vollständigen Wegfall des Vorwegabzugs für den freiberuflich tätigen Ehemann führt, weil die Ehefrau nichtselbstständig tätig ist. Gesetzgeberischer Zweck des Vorwegabzugs ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass Selbstständige ihre Vorsorgeaufwendungen in vollem Umfang selbst (und zwar aus versteuerten Mitteln) aufbringen müssen, während bei Arbeitnehmern die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber übernommen werden und nach § 3 Nr. 62...

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