Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 152
Nach der Rspr. des BFH vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des EStG und des KStG v. 25.7.1984 (Rz. 34) waren Aufwendungen für die Strafverteidigung dann als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anzuerkennen, wenn der strafrechtliche Schuldvorwurf, gegen den sich der Stpfl. zur Wehr setzt, durch sein betriebliches (berufliches) Verhalten veranlasst war. Dies galt bis einschließlich Vz 2018 – in Abweichung von der früheren Rspr. des BFH – auch dann, wenn das Verfahren zu einer Verurteilung geführt hat. Denn die Strafverteidigungskosten als solche haben keinen Strafcharakter. Sie müssen nicht einmal zwangsläufig entstehen; schließlich steht es einem Angeklagten frei, sich durch einen Rechtsanwalt verteidigen zu lassen. Was für die Kosten der Strafverteidigung gilt, gilt in gleicher Weise für die Gerichtskosten, die ebenfalls nicht einer Geldstrafe gleichgestellt werden können, sondern lediglich eine Abgabe für die Inanspruchnahme des Gerichts darstellen.
Rz. 153
In § 12 Nr. 4 EStG waren die Verfahrenskosten bis einschließlich Vz 2018 nicht erwähnt. Hieraus konnte indes nicht gefolgert werden, sie seien entsprechend der Behandlung von Strafen und strafähnlichen Maßnahmen nicht mehr abziehbar. Das Änderungsgesetz v. 25.7.1984 (Rz. 134) diente dem Zweck, den vor dem Ergehen von BFH v. 21.11.1983 nach der bisherigen BFH-Rspr. geltenden Rechtszustand wiederherzustellen. Somit war an den zuvor entwickelten Rechtsgrundsätzen festzuhalten.
Eine entsprechende Änderung wurde auch bei Geldstrafen u. ihnen gleichgestellte Sanktionen i. S. v. § 12 Nr. 4 EStG vollzogen. Der Gesetzgeber hielt es nicht für sachgerecht, derartige Aufwendungen im Falle einer Verurteilung steuerrechtlich zu begünstigen.
§ 12 Nr. 4 EStG erfasst damit (nunmehr) auch (z. B.) die wegen eines Strafverfahrens entstehenden Gerichts- und Anwaltskosten. Diese konnten bis einschließlich Vz 2018 – im Gegensatz zur Strafe (s. Tz. 6.2) – auch bei einer Verurteilung ausnahmsweise Betriebsausgaben oder Werbungskosten sein, wenn der Stpfl. die ihm zur Last gelegte Tat in Ausübung seiner beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit begangen hat.
Rz. 154
Bei der Prüfung der Frage, ob der gegen den Stpfl. erhobene Schuldvorwurf durch sein betriebliches (berufliches) Verhalten veranlasst ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dies kann zu bejahen sein z. B. bei strafbaren Devisengeschäften, zu verneinen sein aber bei einer Urkundenfälschung. Eine dienstliche Veranlassung ist auch gegeben, wenn sich der Stpfl. dagegen zur Wehr setzt, in Ausübung seiner dienstlichen Verrichtung einen Betriebsunfall verschuldet zu haben. Eine betriebliche Veranlassung liegt z. B. vor bei der Verteidigung gegen den Vorwurf, in betrügerischer Absicht InvZ beantragt zu haben oder als Sachverständiger überhöhte Wertschätzungen abgegeben zu haben.
Rz. 154a
Ein ausreichender betrieblicher Zusammenhang besteht nur, wenn die dem Stpfl. zur Last gelegte Tat ausschließlich aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist. Betrifft das Strafverfahren mehrere Anklagepunkte, die im inneren Zusammenhang stehen, und fehlt es an einem einwandfreien Maßstab für eine vernünftige Zuordnung der Strafverteidigerkosten zu den einzelnen Anklagepunkten, können die Verteidigerkosten im Hinblick auf § 12 Nr. 1 EStG auch dann nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn ein Teil der Kosten ausschließlich auf die betriebliche Tätigkeit zurückzuführen ist. So sind die Aufwendungen für einen Strafprozess wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung nicht abziehbar.
Dies schließt indes bei einer sachlich begründeten Zuordnungsmöglichkeit eine Aufteilung im Schätzungsweg grundsätzlich nicht aus. Zur Berücksichtigung von Strafverfahrenskosten als außergewöhnliche Belastung vgl. § 33 EStG Rz. 100ff. Aufwendungen, die nicht im Hinblick auf ein strafrechtliches, sondern z. B. bei einem zivilgerichtlichen oder arbeitsgerichtlichen Verfahren wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten entstehen, stellen Werbungskosten dar.