Rz. 230
Wenn der verrechenbare Verlust erst im Rahmen einer Anteilsveräußerung zu einer Gewinnminderung führt, treten gegenüber einem normalen Verlustvortrag Nachteile ein, weil – wegen der Betriebsbezogenheit der Verluste – immer mit einem Veräußerungsgewinn aufgerechnet werden muss, auch wenn andere positiv und normal zu versteuernde Einkünfte vorhanden sind. Es bleibt dann ein geringerer Betrag für den begünstigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 oder 3 EStG. Dieses Ergebnis erscheint indessen konsequent nach den Wertungen des Gesetzes. Stellt sich nämlich heraus, dass Verlustanteile, die zu einem negativen Kapitalkonto geführt haben, endgültig vom Kommanditisten nicht zu tragen sind, haben sie – aus späterer, besserer Erkenntnis – das Einkommen früherer Jahre zu Unrecht gemindert. Diese Minderung wird nunmehr rückwirkend beseitigt.
Rz. 231
Die wegen der Bindung an den Betrieb gebotene vollständige Saldierung eines Veräußerungsgewinns mit verrechenbaren Verlusten tritt in zwei Sonderfällen nicht ein. Der erste Sonderfall liegt vor, wenn im Wirtschaftsjahr der Veräußerung noch laufende Gewinne angefallen sind. Diese sind vorrangig mit den verrechenbaren Verlusten auszugleichen, sodass nur der übersteigende Rest den Veräußerungsgewinn mindert. Der zweite Sonderfall ist anzunehmen, wenn ein Sanierungsgewinn zu berücksichtigen ist. Die sachlichen Steuerbefreiungen aus beiden Sondervorschriften bleiben auch im Anwendungsbereich des § 15a EStG erhalten. Zur Frage des Sanierungsgewinns gem. § 3 Nr. 66 EStG a. F. (gültig bis 1997) liegt eine Entscheidung des BFH vor. Deren Grundsätze dürften auf Sanierungsgewinne aufgrund des sog. Sanierungserlasses sowie der Neufassung des § 3a EStG nach ihrem Wirksamwerden gleichermaßen und auch nicht nur in Veräußerungsfällen gelten. Danach wird der verrechenbare Verluste ohne Saldierung mit dem Sanierungsgewinn zu einem ausgleichsfähigen Verlust.
Rz. 232
Darüber hinaus ist im Hinblick auf einen eventuellen Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG bei gleichzeitigem Vorliegen eines Veräußerungsgewinnes sowie eines laufenden Gewinns im entsprechenden Wirtschaftsjahr der verrechenbare Verlust vorrangig mit dem laufenden Gewinn zu verrechnen, soweit dies für den Steuerpflichtigen positive Auswirkungen hat. Die Finanzverwaltung sieht dies offenbar ebenso, auch wenn R 15a Abs. 4 EStR 2012 enthält, dass Bezugsgröße der Steuerbefreiung des § 16 Abs. 4 EStG der Veräußerungsgewinn nach der Minderung um die verrechenbaren Verluste ist.
Rz. 233
Die Auswirkungen der Vorrangverrechnung werden deutlich an dem nachstehenden Beispiel:
Bilanz einer KG zum 31.12.04
Aktiva |
EUR |
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Passiva |
EUR |
Anlagevermögen |
380.000 |
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Kapital Komplementär |
50.000 |
Umlaufvermögen |
1.600.000 |
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Kapital Kommanditist A |
100.000 |
Verluste 01–03 |
420.000 |
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Kapital Kommanditist B |
100.000 |
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Verbindlichkeiten |
2.030.000 |
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Gewinn 04 |
120.000 |
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2.400.000 |
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2.400.000 |
Die Jahresüberschüsse wurden vertragsgemäß nach den Festkapitalkonten verteilt, sodass auf den Komplementär 20 % und auf die Kommanditisten je 40 % entfielen. Die bilanzierten Verluste 01–03 waren fast ausschließlich durch Sonderabschreibungen entstanden und stellen die Anteile der Kommanditisten dar; der Anteil des Komplementär war durch Vorwegvergütungen ausgeglichen.
Kommanditist A scheidet zum Jahresende 04 aus. Sein Abfindungsguthaben wird mit 30.000 EUR ermittelt, worin der anteilige Gewinn für 04 nicht enthalten ist.
Der Veräußerungsgewinn entwickelt sich wie folgt:
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EUR |
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EUR |
Abfindungsguthaben |
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30.000 |
Festkapital |
+ 100.000 |
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Verlustanteile 01–03 |
./. 210.000 |
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./. 110.000 |
Veräußerungsgewinn |
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140.000 |
Insgesamt beträgt der Gewinn 04 für den Kommanditisten A somit 48.000 EUR (40 % von 120.000) zuzüglich 140.000 EUR = 188.000 EUR.
Aus der Bilanz selbst ist ersichtlich, dass die Verluste 01–03 für ihn nur mit 100.000 EUR ausgleichsfähig und mit 110.000 EUR verrechenbar waren. Vom Gesamtgewinn für 04 ist zuerst der laufende Gewinn um den verrechenbaren Verlust zu kürzen; nur der Rest von 62.000 EUR (110.000 EUR ./. 48.000 EUR) mindert den begünstigten Veräußerungsgewinn, von dem 78.000 EUR verbleiben. Auf diesen kann nunmehr bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Freibetrag i. H. v. 45.000 EUR angewendet werden. Es verbleiben Einkünfte i. H. v. 33.000 EUR.
Würde dagegen die Verrechnung vorrangig mit dem Veräußerungsgewinn erfolgen, so würden nach der Verrechnung lediglich 30.000 EUR (140.000 EUR ./. 110.000 EUR) für die Anwendung des Freibetrags verbleiben. 15.000 EUR gingen somit ins Leere, die Einkünfte beliefen sich auf insgesamt 48.000 EUR.