Rz. 11

Es liegt aber ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip vor, nach dem der ESt grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen, unterliegen darf. Das Nettoprinzip als Ausfluss des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit steht als identitätskonstituierendes Merkmal der Einkommensbesteuerung nicht zur Disposition des Gesetzgebers (§ 2 EStG Rz. 10 ff.) .

Das BVerfG hat demgegenüber bisher stets offengelassen, ob das Nettoprinzip verfassungsrechtliche Qualität genießt.[1] Ausnahmen vom Nettoprinzip bedürfen eines besonderen, sachlichen Grundes.[2] Für die Abweichung vom Nettoprinzip darf der Gesetzgeber sich generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Eine Durchbrechung des Nettoprinzips ist insbesondere dann zulässig, wenn die Erwerbsaufwendungen die Kosten der allgemeinen Haushaltsführung berühren und durch die Regelung ein Eindringen in die Privatsphäre des Stpfl. entbehrlich wird.[3] Dies ist für § 15b EStG nicht einschlägig, da die Aufwendungen die Privatsphäre nicht berühren.

 

Rz. 12

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zur doppelten Haushaltsführung[4] ausgeführt, dass es für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach finanzieller Leistungsfähigkeit nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen ankommt, sondern jedenfalls auch auf die Unterscheidung zwischen freier und beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits.

Daraus kann gefolgert werden, dass allein die Tatsache, dass Erwerbsaufwendungen auch durch private Gründe mitbestimmt sind, wie bei der doppelten Haushaltsführung, als Begründung für eine Einschränkung des Nettoprinzips nicht ausreicht, sondern dass entscheidend ist, ob es sich um einen freien oder beliebigen Aufwand handelt oder die Aufwendungen zwangsläufig oder pflichtbestimmt anfallen.[5]

Unter diesen Voraussetzungen ist die Regelung des § 15b EStG verfassungsgemäß. § 15b EStG schließt den Verlustausgleich nicht völlig aus, sondern verlagert ihn lediglich in die Zukunft, sodass der Eingriff ins Nettoprinzip sich auf den wegfallenden Zinseffekt beschränkt.[6] In der Streckung des Verlustabzugs gem. § 10d EStG haben das BVerfG und der BFH in st. Rspr. keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung gesehen, als die Verlustverrechnung nicht endgültig versagt wird, sondern zeitlich gestreckt wird.[7] Zur vergleichbaren Vorschrift des § 15a EStG hat der BFH die Verfassungsmäßigkeit bejaht.[8] Die Entscheidung, einem Fonds als Anleger beizutreten, trifft der Anleger freiwillig, seine Aufwendungen entstehen daher nicht zwangsläufig.

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