Dr. Constanze Wetzel, Joachim Moritz
Rz. 9
Die Wirkungsweise des § 17 EStG kann zur Sicherstellung der Einmalbesteuerung, sie kann jedoch auch zur Doppelbelastung führen oder letztlich Vermögensmehrungen unbesteuert lassen. Eine etwaige Doppelbesteuerung beruht auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Entscheidung, ist daher nicht unbillig und somit hinzunehmen. Es sind die folgenden Fallgruppen denkbar:
Rz. 10
Die Veräußerung unterliegt bei dem Veräußerer § 17 EStG, bei dem Erwerber wird die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten. Werden bei der Kapitalgesellschaft Reserven aufgelöst und ausgeschüttet, ist die Ausschüttung bei dem Empfänger grundsätzlich stpfl. Damit droht der Betrag dieser stillen Reserven jeweils durch das Teileinkünfteverfahren i. H. v. 60 % doppelt besteuert zu werden, nämlich in Form des Veräußerungsgewinns bei dem Veräußerer nach § 17 EStG i. V. m. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG, in Form der Ausschüttung bei dem Erwerber nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG. Diese Gefahr wird jedoch dadurch beseitigt, dass der Wert der Beteiligung durch die Ausschüttung der gekauften stillen Reserven sinkt. Wird die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten, kann der Betrag der Ausschüttung durch eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung nach § 3c Abs. 2 EStG ebenfalls i. H. v. 60 % praktisch steuerfrei gestellt werden.
Rz. 11
Bildet die Beteiligung bei dem Erwerber eine unter § 17 EStG fallende Beteiligung im Privatvermögen, galt bis Vz 2008 im Prinzip die gleiche Regelung wie bei einer Beteiligung im Betriebsvermögen. Es blieb zwar bei der Besteuerung der Ausschüttung nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG und damit der Doppelbelastung; dies wurde aber bei einer Veräußerung der Beteiligung nach § 17 EStG korrigiert, da der durch die Ausschüttung verminderte Wert der Beteiligung (alle anderen Faktoren als gleichbleibend unterstellt) zu einem Veräußerungsverlust führen wird, der nach § 17 EStG steuerlich zu berücksichtigen ist.
Nach Einführung der Abgeltungssteuer ab Vz 2009 gilt dies jedoch nur noch, soweit die Gewinnausschüttung nach § 32d Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht unter die Abgeltungssteuer fällt. Für alle übrigen Einkünfte aus einer Beteiligung nach § 17 EStG führt die Gewinnausschüttung zu einer Abgeltungssteuer von 25 %, während bei einer nachfolgenden Veräußerung der Beteiligung die Minderung des Veräußerungspreises zu einem steuerlichen Verlust führt, der nach § 3c Abs. 2 EStG zu 60 % zur Steuerminderung nach dem persönlichen Steuersatz des Veräußerers führt. Dies kann mehr oder weniger sein als die Abgeltungssteuer von 25 %. Diese Steuereffekte entstehen dadurch, dass die Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG als gewerblicher Gewinn eingestuft werden, die Gewinnausschüttungen aufgrund einer solchen Beteiligung aber als Einkünfte nach § 20 EStG.
Rz. 12
Die Veräußerung unterliegt bei dem Veräußerer der Regelung des § 17 EStG, die Beteiligung bildet bei dem Erwerber eine nicht unter § 17 EStG fallende Beteiligung im Privatvermögen (etwa weil nicht die ganze Beteiligung erworben wurde). Werden jetzt die gekauften Reserven ausgeschüttet, die ja bei dem Veräußerer nach § 17 EStG bereits versteuert sind, kommt es zu einer Doppelbesteuerung. Der Erwerber muss die Ausschüttung nach § 20 EStG i. V. m. § 32d EStG versteuern, kann aber die damit zusammenhängende Wertminderung seiner Anteile steuerlich nicht nutzbar machen, da er weder die Anteile im Betriebsvermögen hält noch bei ihm § 17 EStG anwendbar ist.
Rz. 13
Im umgekehrten Fall, in dem bei dem Veräußerer § 17 EStG nicht anwendbar ist, wohl aber bei dem Erwerber (z. B. weil er selbst Anteile hält und diese zusammen mit den erworbenen, eine unter § 17 EStG fallende Beteiligung bilden), oder wenn der Erwerber die Beteiligung im Betriebsvermögen hält, blieben die Vermögensmehrungen bis Vz 2008 letztlich steuerfrei. Bei dem Veräußerer wurden sie nicht erfasst, da § 17 EStG nicht anwendbar war, bei dem Erwerber werden die Ausschüttungen der gekauften Reserven zwar als Einkünfte erfasst; dies wird jedoch bei Anwendung des § 17 EStG durch den Veräußerungsverlust bei Veräußerung der Anteile bzw. bei Zugehörigkeit der Anteile zu einem Betriebsvermögen durch eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung korrigiert.
Ab Vz 2009 ist die dadurch entstehende Besteuerungslücke dadurch beseitigt worden, dass Veräußerungsgewinne auch außerhalb des § 17 EStG nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG steuerpflichtig sind und mit der Abgeltungssteuer (§ 32d EStG) besteuert werden.
Rz. 14
Ist bei dem Veräußerer § 17 EStG nicht anwendbar und bildet die Beteiligung bei dem Erwerber weder eine unter § 17 EStG fallende Beteiligung, noch hält er sie im Betriebsvermögen, wurde die Vermögensmehrung bis Vz 2008 nur einmal besteuert, und zwar bei dem Erwerber in Form der Ausschüttung. Ab Vz 2009 kommt bei dem Veräußerer und dem Erwerber bei Weiterveräußerung die Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG hinzu.