Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 86
Im Hinblick auf die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten ist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zwischen dem innerperiodischen Verlustausgleich i. S. d. § 2 Abs. 1 und 3 EStG und dem überperiodischen Verlustabzug i. S. d. § 10d Abs. 1 und 2 EStG zu differenzieren. Für beide Arten der Verlustverrechnung gelten im Verhältnis zu den Einkünften der anderen Einkunftsarten Besonderheiten.
Rz. 87
Beim innerperiodischen Verlustausgleich unterscheidet das EStG konzeptionell zwischen dem horizontalen Verlustausgleich, also dem Ausgleich von Gewinnen und Verlusten innerhalb einer Einkunftsart (§ 2 Abs. 1 EStG), und dem als vertikalen Verlustausgleich bezeichneten Ausgleich von Gewinnen und Verlusten zwischen den Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 EStG). Beim horizontalen Verlustausgleich sind die Verrechnungsverbote für Verluste aus stillen Gesellschaften (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG), Aktiengeschäften (§ 20 Abs. 6 S. 4 EStG), Termingeschäften (§ 20 Abs. 6 S. 5 EStG), Kapitalverlusten (§ 20 Abs. 6 S. 6 EStG) und Steuerstundungsmodellen (§ 20 Abs. 7 EStG) zu beachten. Eine Ausnahmeregel, die einen unbeschränkten horizontalen Verlustausgleich bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erlauben würde, sieht das EStG nicht vor. Beim vertikalen Verlustausgleich bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist es nicht erlaubt, Verluste aus Kapitalvermögen mit Gewinnen, die bei den Einkünften der anderen Einkunftsarten anfallen, zu verrechnen (§ 20 Abs. 6 S. 1 Halbs. 1 EStG). Nur in den Ausnahmefällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 bis 3 EStG ist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ein unbeschränkter vertikaler Verlustausgleich möglich. Abweichend von diesen Grundsätzen können Alt-Verluste aus Stillhalter- und Wertpapiergeschäften i. S. d. § 22 Nr. 3 und § 23 Abs. 1 EStG a. F. mit Neu-Gewinnen aus Stillhalter- und Wertpapiergeschäften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 11 und § 20 Abs. 2 EStG verrechnet werden, falls der Verlustausgleich bis zum Jahr 2013 erfolgt (§ 22 Nr. 3 S. 5 und 6 und § 23 Abs. 3 S. 9 und 10 EStG).
Rz. 88
Beim überperiodischen Verlustabzug unterscheidet das EStG systematisch zwischen dem Verlustrücktrag, also dem Rücktrag von nicht ausgeglichenen Verlusten in den vorangegangenen Vz (§ 10d Abs. 1 EStG), und dem als Verlustvortrag bezeichneten Vortrag nicht ausgeglichener Verluste in den folgenden Vz (§ 10d Abs. 2 EStG). Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist ein Verlustrücktrag indes nicht möglich (§ 20 Abs. 6 S. 2 Halbs. 2 EStG). Nur in den Ausnahmefällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 bis 3 EStG besteht die Möglichkeit eines Verlustrücktrags. Auch der Verlustvortrag unterliegt bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erheblichen Einschränkungen, da alle bereits genannten Beschränkungen des horizontalen Verlustausgleichs auch beim überperiodischen Verlustvortrag zu beachten sind. Eine Ausnahmeregel, die einen unbeschränkten Verlustvortrag bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erlauben würde, sieht das Gesetz nicht vor.