Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 111
Als Vorabausschüttungen werden Leistungen einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter im Hinblick auf den erwarteten, aber noch nicht endgültig festgestellten Gewinn eines Wirtschaftsjahrs bezeichnet. Bei der AG sind Vorabausschüttungen im laufenden Wirtschaftsjahr grundsätzlich unzulässig und als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln. Dagegen werden bei der GmbH während eines Wirtschaftsjahrs vorgenommene Vorabausschüttungen als im Grundsatz zulässig angesehen und als laufende Gewinnausschüttungen besteuert.
Rz. 112
Bei disquotalen Gewinnausschüttungen handelt es sich um Gewinnausschüttungen, die mit den an einer Gesellschaft bestehenden Beteiligungsverhältnissen nicht übereinstimmen. Die Gewinne werden demnach disquotal verteilt. Die Rspr. erkennt disquotale Gewinnausschüttungen im Anschluss an ihre gesellschaftsrechtliche Wirksamkeit auch für die Zwecke der Besteuerung an.
Die Finanzverwaltung akzeptiert diese Rspr. nur mit Einschränkungen an. Erstens ist nach Auffassung der Finanzverwaltung eine disquotale Gewinnverteilung steuerlich nur anzuerkennen, wenn der zugrundeliegende disquotale Gewinnverteilungsschlüssel im Gesellschaftsvertrag vorgesehen oder eine Öffnungsklausel enthalten ist, wonach der Verteilungsschlüssel alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig abgeändert werden kann. Beruht die disquotale Gewinnverteilung demgegenüber auf einem die Satzung durchbrechenden – jedoch gesellschaftsrechtlich wirksamen – Gewinnverteilungsbeschluss, verweigert die Finanzverwaltung wohl die steuerliche Anerkennung. Ein dieser Auffassung widersprechendes BFH-Urteil wurde von der Finanzverwaltung bisher nicht im BStBl II veröffentlicht. Zweitens soll in Zusammenhang mit disquotalen Gewinnausschüttungen ein steuerlicher Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO zu prüfen sein, wobei für die disquotole Gewinnverteilung beachtliche wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe nachzuweisen seien. Die strenge Auffassung der Finanzverwaltung hat u. E. keine Grundlage in der Rspr.
Rz. 112a
Werden Gewinne nicht disquotal verteilt, sondern disquotal verwendet, handelt es sich um eine gespaltene Gewinnverwendung. Die Gesellschafter beschließen dabei im Rahmen der Gewinnverwendung, dass nur die Anteile bestimmter Gesellschafter am Gewinn ausgeschüttet werden, während die Anteile anderer Gesellschafter am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden. Nach dem BFH sind solche gespaltene Gewinnverwendungen bei gesellschaftsrechtlicher Wirksamkeit steuerlich anzuerkennen. Die Einstellung des Gewinns in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt beim betroffenen Gesellschafter nicht zum Zufluss von Gewinnanteilen i. S. v. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 11 Abs. 1 S. 1 EStG. Zur Besteuerung kommt es bei diesem Gesellschafter erst bei Ausschüttung der eingestellten Gewinne aus der gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage. Diese Grundsätze gelten auch für die Einstellung von Gewinnen in die gesellschafterbezogene Rücklage beherrschender Gesellschafter.
Rz. 113
Das Schütt-Aus-Hol-Zurück-Verfahren bezeichnet eine Gewinnausschüttung einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter, bei der für die Gesellschafter die Verpflichtung besteht, die ausgeschütteten Gewinne an die Gesellschaft zurückzuzahlen. Die Gesellschafter haben die ihnen zugeflossenen Gewinne trotz der bestehenden Verpflichtung zur Rückzahlung nach den allgemeinen Regelungen zu versteuern. Die anschließende Rückzahlung an die Gesellschaft stellt eine Einlage dar, die die Anschaffungskosten der infrage stehenden Kapitalbeteiligung erhöht.
Rz. 114
Bei genossenschaftlichen Rückvergütungen handelt es sich um die Rückgewähr von Überschüssen, die eine Genossenschaft im Geschäft mit ihren Mitgliedern erwirtschaftet und auf die die Mitglieder einen Anspruch haben. Sofern die Rückvergütungen bei der Genossenschaft nach § 22 KStG als Betriebsausgaben abgezogen werden können, führen sie bei den Mitgliedern zu Einkünften in der Einkunftsart, die dem Geschäftsverkehr mit der Genossenschaft zugrunde liegt. Sind die Voraussetzungen für einen Abzug der Rückvergütungen als Betriebsausgaben bei der Genossenschaft nach § 22 KStG nicht gegeben, haben sie die Mitglieder als verdeckte Gewinnausschüttungen zu versteuern.