Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 132
Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Bezüge, die aufgrund einer Kapitalherabsetzung oder nach der Auflösung (Rz. 127) einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG anfallen und die als Gewinnausschüttungen i. S. d. § 28 Abs. 2 S. 2 und 4 KStG gelten. Nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG unterliegen die Kapitalherabsetzung und die Auflösung einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. In diesen Fällen kommt allenfalls eine Besteuerung nach § 17 Abs. 4 S. 1 EStG oder § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 EStG in Betracht.
Rz. 133
Unter einer Kapitalherabsetzung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG sind die Verringerung des Nennkapitals einer Körperschaft und die Zurückzahlung der freigewordenen Kapitalbeträge an die Gesellschafter zu verstehen (§§ 222ff. AktG; § 58 GmbHG – ordentliche Kapitalherabsetzung). Keine Kapitalherabsetzung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG liegt vor bei einer bloß buchmäßigen Verringerung des Nennkapitals einer Körperschaft zur Beseitigung eines bestehenden Bilanzverlusts (§§ 229ff. AktG; § 58a GmbHG – vereinfachte Kapitalherabsetzung). Voraussetzung für die Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG ist zudem, dass die Kapitalherabsetzung handelsrechtlich ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Sofern die Vorgaben des Handelsrechts nicht eingehalten wurden, ist der Vorgang als verdeckte Gewinnausschüttung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zu beurteilen.
Rz. 134
Zu den Bezügen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG gehören alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert, also auch Sachbezüge, die ein Gesellschafter von einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG erhält und deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis zu erblicken ist. Der Begriff der Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG ist identisch mit demjenigen der Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. Erforderlich ist ferner, dass die Bezüge aufgrund einer handelsrechtlich wirksamen Kapitalherabsetzung geleistet werden. Leistungen, die vor Eintragung der Kapitalherabsetzung ins Handelsregister erzielt werden, werden daher nur dann von § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG erfasst, wenn die Gesellschafter zu diesem Zeitpunkt alles getan haben, was notwendig ist, um die Eintragung herbeizuführen. Ist dies nicht der Fall, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG vor.
Rz. 135
Die Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG müssen zu den Gewinnausschüttungen i. S. d. § 28 Abs. 2 S. 2 und 4 KStG gehören. Bei diesen Gewinnausschüttungen handelt es sich um an die Gesellschafter zurückgezahltes Nennkapital, das aus Gewinnrücklagen der Körperschaft gebildet wurde. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG erfasst folglich nicht die Rückzahlung von Einlagen, die lediglich im Rahmen des § 17 Abs. 4 S. 1 oder § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 EStG der Besteuerung unterliegen können. Vielmehr soll § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG gewährleisten, dass Gewinnrücklagen einer Körperschaft, die in Nennkapital umgewandelt wurden und im Rahmen einer Kapitalherabsetzung oder anlässlich der Auflösung einer Körperschaft ausgeschüttet werden, von den Gesellschaftern versteuert werden.
Rz. 136
§ 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG tritt gegenüber § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG zurück, falls die Kapitalerträge bereits nach dieser Vorschrift steuerbar sind. Dagegen kommt § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG gegenüber § 17 Abs. 4 S. 1 EStG der Vorrang zu, sofern die erzielten Erträge auch von der zuletzt genannten Regelung erfasst werden (§ 17 Abs. 4 S. 3 EStG).