Rz. 50
Die eheliche Lebensgemeinschaft ist zivilrechtlich die Herstellung, Erhaltung und Entfaltung einer engen, grundsätzlich alle Lebensbereiche jedes Ehegatten umfassenden Lebensgemeinschaft der Ehepartner. Sie umfasst damit regelmäßig die räumliche, sexuelle, persönliche, geistige und wirtschaftliche Gemeinschaft. Dabei ist zwischen der durch § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB begründeten Pflicht jedes Ehegatten zur Herstellung einer derartigen Gemeinschaft und dem tatsächlichen Zustand der ehelichen Lebensgemeinschaft in der konkreten Ehe zu unterscheiden, der von diesem Modellbild mehr oder minder stark abweicht.
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt setzt aber lt. OLG Frankfurt/M. weder voraus, dass die Beteiligten vor der Trennung zusammengezogen sind oder zusammengelebt haben noch dass es zu einer Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen und zu einer inhaltlichen Verwirklichung der Lebensgemeinschaft gekommen ist.
Rz. 51
Das Steuerrecht knüpft in § 26 Abs. 1 EStG an das Vorliegen der faktischen Gemeinschaft an, wenn gefordert wird, dass die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben. Während das BGB die eheliche Lebensgemeinschaft als Ziel bestimmt und damit die Abweichungen vom Modellbild in der konkreten Ehe unproblematisch sind, hat der Begriff in § 26 Abs. 1 EStG eine Abgrenzungsfunktion, bei der jede Unklarheit zur Rechtsunsicherheit führt. Schon dieser methodische Unterschied legt es nahe, dass das steuerrechtliche Merkmal des "nicht dauernden Getrenntlebens" nicht allein zivilrechtlich definiert werden kann. Hinzu kommt das weitere Problem, dass die Feststellung des Bestehens der ehelichen Gemeinschaft im zivilrechtlichen Sinn eine Aufhellung aller Bereiche der Ehe fordern würde und damit notwendig zu einem Eindringen der Finanzverwaltung in die Privatsphäre der Stpfl. führen müsste. Andererseits schließt ein dauerndes Getrenntleben i. S. d. § 1567 Abs. 1 BGB ein dauerndes Getrenntleben nach § 26 Abs. 1 EStG regelmäßig mit ein.
Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.
Rz. 52
Die FG schwanken zwischen der Anknüpfung an die zivilrechtlichen Inhalte einerseits und dem Bemühen, ein Eindringen in die Privatsphäre zu vermeiden, andererseits. Nach der Definition geht der BFH davon aus, dass Ehegatten dann dauernd getrennt leben, wenn die im zivilrechtlichen Sinn umfassend verstandene Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht mehr besteht und eine Prognose ergibt, dass mit ihrer Herstellung auf Dauer nicht mehr zu rechnen ist. Der Begriff des Getrenntlebens nach § 1567 Abs. 1 BGB (Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft) und § 1567 Abs. 2 BGB (Zusammenleben über kürzere Zeit) ist nicht entsprechend anwendbar, da die Regelungen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen.
Rz. 53
Da es sich bei diesen Fragen um schwer nachprüfbare innere Vorgänge handelt, ist die Entscheidung anhand des Gesamtbilds der äußerlich erkennbaren Merkmale zu treffen, wobei die Dauer der räumlichen Trennung, die gemeinsame Haushalts- und Wirtschaftsführung oder das Zusammenleben eines Ehegatten mit einer anderen Person besonders gewichtig sein können. Insbesondere dem räumlichen Zusammenleben kommt entscheidende Bedeutung zu. Doch selbst wenn ein Ehegatte seine Lebensgefährtin mit einem gemeinsamen Kind in einem weiteren Haushalt dauerhaft aufgenommen hat, ist dies nach Auffassung des BFH nur im Zusammenhang mit der Frage zu würdigen, ob die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten weiter besteht. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind und welche Auswirkungen z. B. ein geheim gehaltenes Verhältnis zu einer Lebensgefährtin auf die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft hat, bleibt eine Frage der Würdigung des jeweiligen Sachverhalts. Ein räumliches Zusammenleben ist letztlich für sich gesehen nicht von Bedeutung. So können Ehegatten auch bei einem Zusammenleben in einer Wohnung dauernd getrennt leben, wenn sich dieses Ergebnis bei Würdigung der Gesamtbilds der gegenseitigen Beziehung im jeweiligen konkreten Einzelfall ergibt. Auch ist ein räumliches Zusammenleben möglich, wenn Eheleute zwar für eine nicht absehbare Zeit räumlich von einander getrennt leben, aber die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft dadurch aufrechterhalten, dass sie die sie berührenden wirtschaftlichen Fragen gemeinsam erledigen und zusammen über die Verwendung des Familieneinkommens entscheiden. Die Zusammenveranlagung mit einem in einem Pflegeheim lebenden Ehegatten bei Vorliegen einer krankheitsbedingt eingeschränkten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ist auch dann möglich, wenn der Stpfl. mit einer neuen Lebensgefährtin zusammenlebt .
Rz. 54
Begreift man die eheliche Lebensgemeinschaft in § 26 Abs. 1 EStG in diesem weiten Sinn, muss im Rahmen der Veranlagung das Gesamtbild der ehelichen Verhältnisse aufgeklärt werden (§ 88 AO). Um ein umfassendes Eindringen in die Privatsphäre der Ehegatten zu vermeiden, soll das FA indes seine Ermittlungen...