Rz. 29

Das familienähnliche Band muss auf Dauer bestimmt sein. Bloße Zwischenunterbringungen begründen kein Pflegekindverhältnis. Ausgeschlossen sind damit die nur für einen vorübergehenden Zeitraum bestimmten Aufnahmen in einer Familie. Entscheidend ist die beabsichtigte ("berechnete") Dauer der Aufnahme, sodass auch eine nur kurze Haushaltszugehörigkeit ausreicht, sofern eine längerfristige Aufnahme beabsichtigt war.[1] Bei einer vorgesehenen Dauer von mindestens zwei Jahren ist im Regelfall von einem Pflegekindschaftsverhältnis auszugehen.[2] Nach der Rspr. kann bei nicht schulpflichtigen Kindern bereits ein Jahr ausreichen; bei schulpflichtigen Kindern ist von etwa 2 Jahren auszugehen; bei älteren Kindern entscheiden die Umstände des Einzelfalls. Der BFH leitet die entscheidenden Maßstäbe aus den zeitlichen Voraussetzungen für den Abbruch des Obhuts- und Pflegeverhältnisses ab.[3]

 

Rz. 30

Da das Pflegekindverhältnis rechtlich nicht fixiert ist, hindert die Gefahr, dass das Kind wieder weggenommen wird, die Bejahung nicht. Entscheidend sind immer die subjektiven Motive zum Zeitpunkt der Aufnahme.[4] Die tatsächliche spätere Entwicklung ist nur ein Indiz für diese ursprüngliche Zielsetzung. Andererseits kann ein als bloße Zwischenunterbringung geplantes Verhältnis sich nachträglich zu einem Pflegekindverhältnis entwickeln, z. B. wenn der zugesagte Kostenersatz nicht gezahlt wird und die natürlichen Eltern sich um das Kind nicht mehr kümmern.[5] Grundsätzlich besteht die Vermutung, dass ein bestehender Pflegezustand auch künftig fortgesetzt wird.

Werden Kinder – auch über Jahre – zum Besuch einer bestimmten Schule in einen Haushalt aufgenommen, werden sie dadurch noch nicht Pflegekinder. Deshalb wurde ein Pflegekindverhältnis zwischen Enkel und Großeltern, das dazu diente, der Tochter für eine Übergangszeit die Tätigkeit als Ärztin zu ermöglichen, nicht anerkannt.[6] Die Begrenzung der Bereitschaft zur Aufnahme des Pflegekinds durch den Vorbehalt, dass man sich dies finanziell leisten könne oder keine grundlegenden Änderungen der Lebensverhältnisse (z. B. Heirat) eintreten, hindert den Dauercharakter nicht.[7]

[2] BFH v. 9.12.2012, III R 15/09, BFH/NV 2012, 1043, BStBl II 2012, 739; vgl. auch BZSt v. 26.5.2023, St II 2-S 2280-DA/22/00001, A 11.3 Abs. 2 DA-KG 2023, BStBl I 2023, 818.
[4] RFH v. 11.3.1936, VI A 101/36, RStBl 1936, 695.
[7] RFH v. 11.3.1936, VI A 101/36, RStBl 1936, 695.

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