Rz. 40
Die Unterstützung Dritter ist zugleich häufigster Anwendungsfall der Zwangsläufigkeit aufgrund von sittlichen Gründen (Rz. 39). Die Rspr. stellt im Wesentlichen darauf ab, dass eine sittliche Verpflichtung nur dann bestehen kann, wenn
- der Stpfl. mit der dritten Person verwandt i. S. d. § 15 AO ist oder zumindest eine besonders "enge Beziehung" zu dieser unterhält,
- besondere Umstände dazu führen, dass die dritte Person Unterstützung benötigt (insbesondere eine Notlage) und
- der Unterstützte nicht aus eigener Kraft bzw. eigenem Vermögen dazu in der Lage wäre, die ihm erwachsenden Aufwendungen zu bestreiten.
Vorrangig wird ein Verwandtschaftsgrad zu der zu unterstützenden Person gefordert. "Fremde" Dritte, mit denen der Stpfl. weder verwandt noch verschwägert ist, erfüllen diese Voraussetzung regelmäßig nicht. Besteht kein Verwandtschaftsgrad, hat der BFH eine bestehende Zwangslage des Stpfl. nur dann bejaht, sofern eine besonders enge Bindung zum Unterstützten bestand. In der Vergangenheit wurde diese enge Beziehung bei einem Verlöbnis regelmäßig verneint, was wohl gerade unter den heutigen Bedingungen auch weiterhin eine Gültigkeit entfalten dürfte. Dennoch kann eine Zwangsläufigkeit der Kostenübernahme für Dritte im Zusammenhang mit einer Verlobung bejaht werden, sofern die Kosten z. B. aufgrund von Unterhaltszahlungen in Aufwartung der Ehe entstanden sind (z. B. aufgrund einer umzugsbedingten Aufgabe des Arbeitsplatzes seitens des Partners). Weitere Voraussetzung ist regelmäßig, dass kein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Stpfl. besteht, da ansonsten bereits ein rechtlicher Zwang vorliegen würde. M. E. veraltet ist die Rspr. zu (eheähnlichen) Lebensgemeinschaften. Demnach wurde eine außergewöhnliche Belastung nur anerkannt, soweit der Unterhaltsbedarf durch die Lebensgemeinschaft selbst ausgelöst wurde und nach den Gesamtumständen als unausweichlich erschien. Die Arbeitslosigkeit eines Partners sollte für sich genommen nicht ausreichen. Es ist allerdings anerkannt, dass der Verlust des Anspruchs auf Sozialhilfe eines Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufgrund dieser für das Vorliegen einer sittlichen Verpflichtung ausreichend ist. Nach der aktuellen Rechtslage dürfte dies bei sog. Bedarfsgemeinschaften i. S. d. § 9 Abs. 5 SGB II indes regelmäßig der Fall sein, sodass auch typischerweise die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung erfüllt sein dürften.
Im Hinblick auf die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen ist es für die Notlage des Unterstützten unerheblich, auf welchen Umständen diese beruht. Insbesondere kann für den Abzug nicht ausschlaggebend sein, ob die Notlage durch den Dritten selbst verursacht wurde. Eine Ausnahme dürfte in den Fällen bestehen, in denen der Stpfl. als Anstifter einer selbst verschuldeten Notlage fungiert hat (z. B. bei einer Anstiftung zu einer Straftat und der anschließenden Kostenübernahme der Strafverteidigung).
Hinsichtlich der sittlichen Verpflichtung in Bezug auf den Verwandtschaftsgrad hat der BFH die Zwangsläufigkeit der Kostenübernahme eines Strafverteidigers für das eigene Kind bejaht, gleichwohl für Verwandte in gerader Seitenlinie (sowohl Geschwister als auch deren Kinder) verneint. In Bezug auf die eigenen Eltern wird eine Zwangsläufigkeit regelmäßig bereits aus rechtlichen Gründen erwachsen, sofern diese mittellos sind.
Schließlich gilt der Grundsatz, dass zunächst das eigene Vermögen des Unterstützten zu verbrauchen ist, obgleich keine uneingeschränkte Anwendung stattzufinden hat. Soweit ein maßvolles eigenes Vermögen – auch zur Bildung einer eigenen Altersvorsorge – zurückbehalten wird, ist dies regelmäßig nicht zu beanstanden. Bestehen mögliche andere Ansprüche des Unterstützten, muss dieser nicht auf rechtlichem Wege eine Beitreibung versucht haben, damit die Zwangslage anerkannt wird. Wird indes gar keine Beitreibungsmaßnahme betrieben, ist dies für die Zwangsläufigkeit schädlich, zumindest muss die zur Leistung verpflichtete Partei die Leistung endgültig verweigert haben. Liegt allerdings eine nur vorübergehende Belastung vor, wird regelmäßig eine Kreditaufnahme bzw. Krediterteilung durch den Stpfl. als zumutbar erachtet, sodass im Ergebnis keine Zwangsläufigkeit der Kosten vorliegt. Sofern jedoch eigenes Vermögen vorhanden ist, wird regelmäßig gefordert, dass dieses zunächst zu verbrauchen bzw. zu beleihen ist.
Rz. 41
Unterhaltsleistungen an in Deutschland (lediglich) geduldete (= Aussetzung der Abschiebung), nicht unterhaltsberechtigte Angehörige sind weder nach § 33a EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige gem. § 68 AufenthG gegenüber der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt seiner Angehörigen zu tragen.