Rz. 73
Als Krankheitskosten gelten sämtliche Aufwendungen, die getätigt werden, um eine Erkrankung zu lindern oder zu heilen. Hierzu zählen nicht lediglich Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversorgung, sondern auch der eigentliche Sachaufwand für eine Krankenversorgung, d. h. z. B. auch Zuzahlungen. Aufwendungen für die Entnahme und Einlagerung von Nabelschnurblut sind keine Krankheitskosten, wenn die enthaltenen Stammzellen zur Vorsorge für später eventuell auftretende Krankheiten und deren Heilung oder Linderung durch eine Stammzellentherapie konserviert werden sollen. Sie erwachsen nicht zwangsläufig und sind deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Darüber hinaus können ggf. auch krankheitsbedingte Behandlungsfolgekosten oder Aufwendungen zu erfassen sein, die auf Behandlungsmethoden zurückzuführen sind, deren Wirkung nicht aus wissenschaftlich gesicherter Erkenntnis feststeht. Voraussetzung ist in derartigen Fällen indes eine besondere Notlage des Stpfl., die eine Kostentragung als zwangsläufig qualifiziert. Dies ist insbesondere in konkreten Situationen der Fall, in denen der Tod des Stpfl. oder eines nahen Angehörigen auf absehbare Zeit droht und der Stpfl. deshalb aus tatsächlichen Gründen gezwungen ist, auch Ausgaben für alternative Behandlungsformen zu tätigen.
Soweit die Kosten durch eine Krankenversicherung erstattet werden, liegt keine Belastung vor. Ein Abzug kann nur insoweit erfolgen, sofern Leistungen über das abgedeckte Risiko der eigenen Krankenversicherung hinaus bezahlt werden müssen. Der dem Stpfl. von dritter Seite nicht erstattete Teil der Aufwendungen für den Ersatz verlorener Zähne durch "Implantate" kann als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden; dass die gesetzliche Krankenversicherung nur die Aufwendungen für herausnehmbare Prothesen bzw. bei fest implantiertem Zahnersatz nur einen kleinen Teil der Kosten übernimmt, schließt den Steuerabzug nicht aus. Bei Ablehnung einer Kostenerstattung durch die Krankenkasse ist der Stpfl. ggf. aber auch verpflichtet, Rechtsmittel einzulegen, um eine Kostenerstattung zu erlangen. Zudem hat der Gesetzgeber den Abzug an Nachweiserfordernisse geknüpft, die in § 64 EStDV normiert sind (Rz. 44a).
Rz. 74
Die Annahme einer Krankheit setzt voraus, dass der Stpfl. eine körperliche, geistige oder seelische negative Beeinflussung erleidet. Regelmäßig muss die Krankheit durch einen Arzt festgestellt worden sein, insbesondere seit Verschärfung der Nachweisanforderungen durch § 33 Abs. 4 EStG i. V. m. § 64 EStDV (Rz. 44a).
Abzugrenzen sind Aufwendungen, die zur Vorbeugung einer Krankheit entstehen und mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein sollen. M. E. ist der Begriff der Erkrankung allerdings weit auszulegen. Insbesondere, sofern genetisch bedingte Vorerkrankungen oder erhöhte Risiken gegeben sind, sollten auch Aufwendungen zur Vorbeugung einer Krankheit als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein. Auch diese Ausgaben erwachsen dem Stpfl. zwangsläufig aufgrund tatsächlicher Gründe, da eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zur Erkrankung besteht.
Davon abzugrenzen sind die Aufwendungen eines gesunden Lebensstils sowie Vorsorgeaufwendungen ohne konkreten Anlass, die zwar zur frühzeitigen Abwendung und Erkennung von Krankheiten anfallen, jedoch freiwillig erfolgen.
Rz. 75
Eine weitere Ausnahme besteht für Aufwendungen, die aufgrund einer typischen Berufskrankheit entstehen oder als Folge der Ausübung der Berufstätigkeit entstanden sind. Derartige Kosten sind bereits vollumfänglich als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abzugsfähig und daher nicht als außergewöhnliche Belastung zu qualifizieren. Hierzu zählen auch Kosten der Krankheit infolge eines Verkehrsunfalls auf einer betrieblichen Fahrt. Soweit Aufwendungen für dritte Personen (insbesondere Angehörige) getragen werden, die sich an der Berufskrankheit angesteckt haben, liegt insoweit jedoch eine außergewöhnliche Belastung vor.
Typische Berufskrankheiten sind in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung aufgelistet. Hierzu zählen z. B. lärmbedingte Hörschäden oder auch Tropenkrankheiten. Das zunehmend diagnostizierte Burn-out-Syndrom ist (bisher) hingegen keine anerkannte Berufskrankheit.