Rz. 76
Kosten der direkten Heilbehandlung sind unter den Nachweiserfordernissen des § 64 EStDV grundsätzlich abziehbar. Hierbei kommt es insbesondere auf den Zweck der Wiederherstellung der Gesundheit an. Dazu gehören Maßnahmen, die "unter Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern". Die Definition ist insoweit missverständlich, als dass Aufwendungen für die allgemeine medizinische Vorsorge nicht in jedem Falle abziehbar sind (Rz. 74). Darüber hinaus können auch Kosten abziehbar sein, die für eine nicht anerkannte Heilmethode geleistet werden, jedoch aufgrund einer besonderen Notsituation des Stpfl. zwangsläufig erwachsen. Nicht hierunter fallen m. E. Kosten für einen Wunderheiler. Ebenfalls nicht hierunter fallen Kosten für eine Tomatis-Therapie oder eine Bioresonanztherapie. Der BFH hat aber auch entschieden, dass Krankheitskosten, die der Abwehr bzw. Erträglichmachung einer tödlichen Krankheit ("Fernreiki") dienen, ohne formalisierten Nachweis zu jedem Präparat nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zuzulassen sind. Aufwendungen für die operative Behandlung einer Liposuktion (in Form einer Fettabsaugung) bis zum Vz 2016 sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich zu berücksichtigen, wenn vor der Operation kein amtsärztliches Attest erstellt wurde.
Ab dem Jahr 2016 hingegen kann die Liposuktion als wissenschaftlich anerkannte Heilungsmethode bei einem Lipödem hingegen auch ohne amtsärztliches Attest als außergewöhnliche Belastung gelten. Die Behandlung muss regelmäßig durch qualifiziertes Personal, das über eine gesetzliche Zulassung zur Ausübung der Heilkunde verfügt, erfolgen.
Die Krankenkassen haben sich ebenfalls dazu entschlossen, eine Studie in Auftrag zu geben und im Zeitraum bis 2024 in ausgewählten Fällen die Kosten der Liposuktion zu übernehmen, sofern Patienten an einem Lipödem der Stufe III leiden. Sofern die Krankenkassen die Kosten übernehmen, fehlt es an einer finanziellen Belastung, sodass ein steuerlicher Abzug nicht möglich ist. Betroffene Stpfl., deren Behandlungskosten nicht von der Krankenkasse übernommen werden, sollten eine Bescheinigung des verordnenden Arztes über die medizinische Notwendigkeit des Eingriffs einholen und den Abzug der Kosten entsprechend geltend machen. Nicht zum Abzug zugelassen sind Folgekosten einer Krankheit, soweit diese keiner Heilbehandlung, sondern eindeutig der privaten Lebensführung zuzuordnen sind, wie z. B. erhöhte Lebensmittelkosten bei einer Bulimie oder der Besuch eines Fitnessstudios, zumindest, sofern dieses nicht durch Einzelverordnung eines Arztes erfolgt und unter Beaufsichtigung von zur Heilkunde zugelassenen Personen beaufsichtigt wird.
Rz. 77
Eine Unterteilung der Kosten in solche, die notwendig und angemessen sind, und solche, die als unangemessen gelten, erfolgt regelmäßig nicht. Vielmehr wird generell davon ausgegangen, dass entstandene Kosten notwendig sind.
Rz. 78
Ein Abzug der Kosten erfolgt auch dann, wenn der Stpfl. die Krankheitsursache leichtfertig oder fahrlässig selbst verursacht bzw. verschuldet hat (Rz. 33f.). Auch sofern bereits vorgenommene kosmetische Operationen aus gesundheitlichen Gründen anschließend korrigiert werden (z. B. Entfernung risikobehafteter Brustimplantate), kann ein Abzug als außergewöhnliche Belastung erfolgen. Abzugsfähig sind auch Kosten einer speziellen Therapie oder eines "teureren" Facharztes; die Möglichkeit zur Überprüfung von Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten ergibt sich aus den besonderen Nachweisregelungen des § 64 EStDV.